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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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wie die rote Sonne – und der eine unter uns, der gebraucht wurde, der dazu ausersehen war, den bespritzten Griff des getreuen Schwerts des Ersten Imperiums zu ergreifen, stellte uns seine Stimme und seine Stärke zur Verfügung, indem er uns anführte, als Antwort auf die gut gebrüllten Kriegsschreie der Sar Trell und das Steinzittern ihrer Wagentrommeln. Der Sieg war vorherbestimmt, stand in den wie Schmiedefeuer glühenden Augen von Ihm von den Sieben Heiligen Städten, in der fiebrigen Kraft seines Willens, und an jenem Tag, dem neunzehnten im Monat Lethara im Jahr Arenbals, wurde die Armee der Sar Trell auf der Ebene südlich von Yath-Ghatan zerschlagen, und ihre Knochen wurden zu den Fundamenten, ihre Schädel zu den Pflastersteinen der Straßen des Imperiums …
     
    Die Dessilan
    Vilara
     
    I
    rgendwo voraus befand sich die Königliche Kolonnade des Ewigen Domizils. Gewölbt, die halbkugelförmige Decke in Gold auf einen mitternachtsblauen Hintergrund gesponnen; zwischen den flutenden Fäden glitzerten Diamanten wie Tautropfen. Die Säulen, die den Durchgang zum Thronraum flankierten – zwanzig auf beiden Seiten, jeweils im Abstand von drei Schritt –, trugen ein Spiralmuster und waren meergrün gestrichen. Der Gang zwischen den Säulen und der Wand war so breit, dass ein gerüsteter Palastwächter dort entlanggehen konnte, ohne fürchten zu müssen, dass seine Schwertscheide irgendwo anstreifte, während der Mittelgang selbst zehn Männern nebeneinander Platz bot. Am vorderen Ende befand sich ein großer Raum, der als Empfangszimmer diente. Wandgemälde aus der Zeit des Ersten Imperiums, so oft kopiert, dass sie nun über jede Bedeutung hinaus stilisiert waren, schmückten die Wände. Traditionelle Fackelhalter trugen von Zauberei erfüllte Kristalle, die ein leicht bläuliches Licht verströmten. Am hinteren Ende befanden sich zwei gewaltige, juwelenbesetzte Türen, die in einen schmalen, niedrigen, fünfzehn Schritt langen Gang führten, der sich dann auf den eigentlichen überkuppelten Thronraum öffnete.
    Es roch nach Marmorstaub und Farbe. In drei Tagen würde die zeremonielle Amtseinführung stattfinden; dann würde König Ezgara Diskanar in seinem Prunkgewand die Königliche Kolonnade entlangschreiten und den Thronraum betreten; seine Königin würde ihm mit einem Schritt Abstand zu seiner Linken folgen, während sein Sohn, der Prinz, zwei Schritte auf gerader Linie hinter ihm schreiten würde. Genauer gesagt, so hätte es sein sollen.
    Brys war auf Wegen, die normalerweise die Bediensteten und die Wächter benutzten, hierher gelangt, indem er den scheinbar zufälligen Wanderungen Kuru Qans gefolgt war. Die merkwürdige Leere des Ewigen Domizils in diesem Bereich machte den Finadd nervös; seine Stiefel dröhnten laut über den nackten Fußboden, als er das Empfangszimmer betrat.
    Und sich dem Ceda gegenübersah, der auf Händen und Knien direkt vor ihm hockte.
    Kuru Qan sprach leise mit sich selbst, fuhr mit den Fingerspitzen über die Fugen auf dem Fußboden. Neben ihm stand ein zerschlissener, mit Farbflecken übersäter Korb, in dem sich Reißnadeln, Pinsel und zugestöpselte kleine Krüge mit Farbe befanden.
    »Ceda?«
    Der alte Mann blickte auf, blinzelte über seine Linsen hinweg; das komische Gestell war ihm bis auf die Nasenspitze gerutscht. »Brys Beddict? Ich habe mich schon gefragt, wo Ihr gewesen seid.«
    »Im Thronraum. Im alten Thronraum, in dem noch immer unser König residiert. Die noch vorhandenen Bataillone und Brigaden werden zur Verteidigung von Letheras zusammengezogen. Die Dinge sind in letzter Zeit ziemlich … hektisch gewesen.«
    »Zweifellos. Ist das wichtig? In mehrfacher Hinsicht. Ja, es ist in der Tat aufschlussreich. Und nun zählt die Fliesen in diesem Zimmer. Erst in der Breite, dann in der Länge, bitte.«
    »Was? Ceda, der König fragt nach Euch.«
    Aber Kuru Qan hörte ihm nicht mehr zu. Er hatte begonnen herumzukriechen, wobei er wieder vor sich hin murmelte und den Dreck wegwischte, den die Bauhandwerker zurückgelassen hatten.
    Brys blieb einen Augenblick lang reglos stehen und dachte nach, dann machte er sich daran, die Fliesen zu zählen.
    Als er damit fertig war, trat er wieder an den Ceda heran. Kuru Qan saß jetzt einfach nur da und schien voll und ganz darin aufzugehen, seine Linsen zu putzen. Ohne aufzublicken sagte er: »Bataillone und Brigaden. Ja, ganz bestimmt. Sie sammeln sich in den Hügeln um Brans Feste. Ist das zweckdienlich? Meine letzten

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