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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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denn es könnte sein, dass ich nach mehr hungern würde. Sie erinnerte sich an das Gefühl in jenem Augenblick, da ihre Schwertklinge auf den behelmten Kopf des Deserteurs geprallt war. Es war Ekel erregend gewesen und voll kranker Lust, alles zu einem einzigen Gefühl miteinander verwoben.
    Ich bin verletzt. Aber ich kann auch andere verletzen. So sehr, dass die Schmerzen einander aufheben und nichts als … Ruhe zurückbleibt. Aber ist es das wirklich? Ruhe? Oder nur irgendeine Art von Verhärtung, von Gefühllosigkeit und Kälte?
    »In Ordnung, Eisenhart«, sagte sie. »Haltet es von mir fern. Es ist nur so«, sie blickte auf ihn hinunter, »dass es nicht hilft. Nichts hilft.«
    »Klar. Zumindest noch nicht.«
    »Niemals«, sagte sie. »Ich weiß, dass Ihr glaubt, die Zeit würde die Wunden heilen. Aber Ihr müsst verstehen, Bekenner, es ist etwas, das ich immer aufs Neue durchlebe. Jeden Augenblick. Es war nicht vor ein paar Tagen. Es war bei meinem letzten Atemzug, bei jedem letzten Atemzug.«
    Sie sah das Mitgefühl in seinen Augen – und unerklärlicherweise hasste sie ihn dafür. »Lasst mich darüber nachdenken, Schätzchen.«
    »Und was soll dabei herauskommen?«
    »Kann ich noch nicht sagen.«
    Sie blickte auf das Schwert in ihrer Hand, starrte das Blut und die Haarbüschel an der eingekerbten Schneide an, wo die Klinge den Schädel des Mannes getroffen hatte. Ekelhaft. Aber sie erwarten, dass es weggewischt wird. Damit der Stahl wieder sauber ist und glänzt, als wäre er nichts weiter als ein Streifen Metall. Als hätte er nichts mehr mit seinen Taten, seiner Geschichte, seinem eigentlichen Zweck zu tun. Sie wollte nicht, dass die Sauerei abgewischt wurde. Sie mochte den Anblick.
    Sie ließen die Leichen dort zurück, wo sie zu Boden gegangen waren. Ließen die Lanzen zurück, die die Männer aufgespießt hatten. Ließen den Wagen zurück – abgesehen von den Nahrungsmitteln, die sie in ihren Satteltaschen verstauen konnten. Den Rest sollten die Flüchtlinge haben, die die Straße entlangkamen. Unter den Toten befanden sich auch fünf Jungen, keiner davon älter als fünfzehn. Sie waren einen kurzen Weg gegangen, doch wie Halbeck bemerkte, war es der falsche Weg gewesen, und das war’s dann eben.
    Seren hatte mit keinem der Toten Mitleid.

 
     
    Buch Vier
     

     
    Um Mitternacht -
    die Flut …

Verwandte betrauern mein Dahinscheiden, alle Liebe ist Staub
    Die Grube ist grob herausgehauen, Steine sind an der Seite aufgestapelt
    Platten sind auf die Erdwälle gelegt, der zerschrammte graue Wall wächst
    Besitztümer wurden ausgelegt, um meinen Ruheplatz zu flankieren
    Alle von dem Dorf sind herbeigekommen, schlagen auf Felle
    Wehklagen in ihrem Kummer mit Streifen aus Asche
    Die auf ihre Wangen gekratzt sind, Wunden in ihrem Fleisch
    Die Erinnerung an mein Leben ist an ein bisschen Erde abgetreten
    Die hölzerne Schaufeln verteilt haben,
    Und hier, am Rande der Lebenden
    Wo ich geisterhafter Zeuge des Verlustes werde,
    Den meine Brüder und Schwestern erlitten haben,
    Spukgestalten der Verzweiflung auf dieser üppigen Grasnarbe
    Auf der die Vorfahren Wache stehen, eingehüllt in Felle,
    Mag ich mich reglos niederlassen, die Augen geschlossen vor dem rasch dahineilenden Dunkel
    Und das spiralige Ziehen in die Gleichgültigkeit umarmen,
    Während ich endlich darüber nachsinne, was es bedeutet, zufrieden zu sein
    Doch mein Fleisch ist warm, das Blut steht noch nicht still in meinen Adern,
    und ist auch noch nicht kalt, und meine Atemzüge vereinen sich mit dem Wind
    In dem diese falschen Schreie erklingen, ich bin verbannt,
    Allein inmitten der Menge und kann nicht mehr gesehen werden
    Die bewegten Zeiten meines Lebens sehen sich ihren mir zugewandten Rücken gegenüber
    Dem Erschauern ihrer Willenskraft, und alle Liebe ist Staub
    Wo ich jetzt dahinschreite, zu niemandes Freude
    Grob herausgehauen, die Steine aufgestapelt, der graue Wall wächst.
     
    Verbannt
    Kellun Adara

Kapitel Neun
     
    Es war, als herrschte unaufhörlich Nacht während des Krieges mit den Sar Trell. Vor dem Erscheinen unseres großen Imperators Dessimbelackis wurden unsere Legionen auf dem Schlachtfeld wieder und wieder zurückgeworfen. Unsere Söhne und Töchter vergossen Blut auf der grünen Erde, und die Wagentrommeln des Feindes näherten sich donnernd. Doch unsere Zuversicht blieb unangetastet, schimmerte nach wie vor wild und trotzig. Wir zogen unsere Reihen eng zusammen, überlappten die Schilde – poliert und glänzend

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