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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gibst du Rhulad im Gegenzug?«
    Freundschaft. »Ich gebe ihm keine Ratschläge, Hull Beddict. Ich versuche nicht, ihn zu beeinflussen. Ich kann deine Frage nicht beantworten.« Oder genauer, ich will es nicht.
    »Sie tut so, als würde sie dir gegenüber nichts als Hass empfinden, Udinaas. Aber ich bin mir da nicht so sicher.«
    »Oh, ich schon.«
    »Ich glaube, sie hat dir vielleicht ihr Herz geschenkt. Doch sie kämpft dagegen an, wegen all der sinnlosen Verbote und Vorurteile unseres Volkes. Wie hoch ist deine Schuld, Udinaas?«
    »Meine Schuld? Die Schuld meines Vaters. Siebenhundertzweiundzwanzig Stummel, von dem Tag an, da ich zum Sklaven geworden bin.«
    Hull streckte eine Hand aus und hielt ihn fest. »Das ist alles?«
    »Ein Beddict mag das wohl sagen. Für die meisten Letherii ist es unüberwindlich. Vor allem in Anbetracht der Zinsen.« Udinaas setzte sich wieder in Bewegung.
    Hull kam an seine Seite. »Wem gegenüber gilt die Schuld?«
    »Einem unwichtigen Verleiher in Letheras. Warum fragst du?«
    »Und wie heißt der Verleiher?«
    »Huldo.«
    »Huldo.« Ein kurzer Moment, und Hull schnaubte.
    »Findest du das erheiternd?«
    »Ja, das tue ich. Udinaas, Huldo gehört meinem Bruder. Tehol.«
    »Früher vielleicht einmal. Soweit ich weiß, gehört Tehol in diesen Tagen gar nichts mehr.«
    »Lass mich dir eine Geschichte über meinen Bruder erzählen. Er war ungefähr zehn Jahre alt, schätze ich, als von einem besonders skrupellosen Verleiher eine Familienschuld eingefordert wurde. Der Plan war, uns zu zwingen, einen bestimmten Besitz abzutreten, und so wurde die Schuld eingefordert. Wir konnten nicht bezahlen, zumindest nicht alles auf einmal, und das wusste der Verleiher natürlich. Nun, zu jener Zeit sind wir alle davon ausgegangen, dass Tehol während dieser Krise jeden Tag in der Schule war, ja, dass er, jung wie er war, keine Ahnung von den Problemen unserer Eltern hatte. Erst sehr viel später sind einige Dinge ans Licht gekommen. Etwa die Tatsache, dass Tehol seinen Lehrer durch einen Trick zu seinem Schuldner gemacht hatte. Nichts Großes, aber er war in der Lage, seinen Lehrer zu zwingen, nichts davon zu erzählen, dass er gar nicht in der Schule war, während er an einem Kanal, der in den Fluss mündete, sein eigenes Unternehmen betrieb. Mit zwei Angestellten, beides Nerek, welche die Abwasser gründlich siebten. Dieser besondere Zufluss kam aus einem der Stadtviertel, in dem die Reichen wohnten – es war schon außerordentlich, was dort für Schätze zu finden waren. Größtenteils Juwelen. Ringe, Ohrringe, Perlen. Wie auch immer, es schien einen unverhofften Gewinn gegeben zu haben – eine Halskette –, und das Ergebnis war, dass Tehol und seine beiden Helfer plötzlich sehr gut bei Kasse waren –«
    »Indem sie die Halskette verkauft haben?«
    »Oh nein, wegen der Belohnung. Ihr Geschäft war, verlorene Gegenstände zurückzubringen. Kurz danach hat der Verleiher, der unsere Familie unter Druck gesetzt hat, eine Bezahlung in voller Höhe der ausstehenden Schuld erhalten und wurde später finanziell ausgenommen, als jede Menge Beteiligungen von ihm zurückgefordert wurden.«
    Udinaas grunzte. »Dankbare Gönner, in der Tat.«
    »Wahrscheinlich. Wir haben es niemals herausgefunden. Und Tehol hat sich nie näher dazu erklärt. Ich habe mehr als ein Jahr gebraucht, um mir ein bisschen was zusammenzureimen. Worauf ich hinauswollte, Udinaas: Tehol ist ein Genie – und zwar ein verdammt gerissenes Genie. Der und verarmt? Nie und nimmer. Er soll sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen haben? Völlig unmöglich. Ich bin mittlerweile ziemlich gut darin, meinem Bruder auf die Schliche zu kommen, verstehst du. Huldo ist nicht der einzige Verleiher, der Tehol gehört.«
    »Dann bin ich also«, sagte Udinaas, während sie sich dem Zelt des Imperators näherten, »ein Schuldner der Beddicts.«
    »Nicht mehr«, antwortete Hull. »Ich tilge deine Schuld. Jetzt sofort. Ich bin mir sicher, Tehol wird mir vergeben – vorausgesetzt, dass ich jemals die Gelegenheit bekommen werde, ihn zu fassen zu kriegen.«
    Udinaas blickte sein Gegenüber an. Dann nickte er. »Ich verstehe. Eine Frage der Gegenseitigkeit.«
    »Ich erwarte nichts, Udinaas.«
    »Gut. Ich wusste, dass du schnell lernst.«
    Hull Beddict blieb vor dem Eingang stehen. »Es hat mir Spaß gemacht, mich mit dir zu unterhalten«, sagte er.
    Udinaas zögerte kurz – und lächelte dann.
     
    Der Imperator saß auf seinem Thron, und Schweißtropfen

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