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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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rannen ihm über Gesicht, Hals und Brust – strömten in zahllosen Rinnsalen über die goldenen Münzen und zwischen ihnen hindurch; in seinen Augen leuchtete irgendeine entsetzliche Erkenntnis, und er zitterte, als wäre er tollwütig. »Udinaas«, krächzte er. »Wie du sehen kannst, geht es uns gut.«
    »In diesen südlichen Landen gibt es merkwürdige Krankheiten, Imperator –«
    »Wir sind nicht krank. Wir waren … auf Reisen.«
    Sie waren allein in dem Zelt. Hannan Mosag überwachte die Krieger, denn zwischen den Stämmen waren einige alte Fehden wieder aufgeflackert, die die Einheit zu zerbrechen drohten. Mayen hatte sich mit den Frauen zurückgezogen, denn es hieß, dass Uruth Sengar kommen würde, herbeigerufen von den K’risnan. Die Luft im Zelt roch nach säuerlichem Schweiß.
    »Dann war es wohl eine lange, schwierige Reise«, sagte Udinaas. »Wollt Ihr Wein? Oder etwas zu essen?«
    »Nein. Jetzt nicht. Wir haben … etwas getan. Etwas Schreckliches. Um ein Bündnis zu schließen. Wenn wir die letheriische Armee vor den Mauern von Letheras angreifen, wirst du sehen, was wir heute erreicht haben. Wir sind … zufrieden. Ja, zufrieden.«
    »Aber auch erschreckt. Über Eure eigene Macht.«
    Die Augen richteten sich flackernd auf Udinaas. »Es scheint, als könnten wir nicht viel vor dir verbergen. Ja, erschreckt. Wir … ich … habe eine ganze Welt ertränkt. Ein Bruchstück von Kurald Emurlahn, in dem unsere Schiffe schon bald reisen werden. Um unsere verlorenen Verwandten zu suchen. Und … Meisterkämpfer.« Er griff sich mit den Händen ins Gesicht. »Ich habe eine Welt ertränkt.«
    Udinaas kam zu dem Schluss, dass es besser wäre, etwas vom Thema abzulenken. »Meisterkämpfer? Ich verstehe nicht so recht, Imperator.«
    Rhulad brauchte einen Augenblick, um sich zu erholen; dann nickte er. »Würdige Gegner, Udinaas. Gewandte Kämpfer, die in der Lage sind, uns zu töten. Sie werden gebraucht.«
    »Damit Eure Macht noch größer wird.«
    »Ja. Noch größer. Es muss sein. So viele Dinge müssen jetzt sein …«
    Udinaas riskierte einen Blick zur Seite, als er sagte: »Dann ist es angebracht, sich zu fürchten, Imperator.«
    »Ist es das? Erkläre es uns.«
    »Furcht zeugt von Weisheit. Davon, dass man die eigene Verantwortung erkennt.«
    »Weisheit. Ja, das muss es wohl sein, nicht wahr? Das hatten wir bisher noch nicht bedacht. Wir fürchten uns, weil wir weise werden.«
    Oh, du armer Kerl. Wie kann ich so etwas nur tun? »Wie werdet Ihr diese … Meisterkämpfer dazu bringen, gegen Euch zu kämpfen?«
    Rhulad erschauerte, hob dann das Schwert in seiner rechten Hand. »Wer von ihnen wird sich solch einer Herausforderung entziehen? Diejenigen, die es tun, sind es nicht wert, dass wir gegen sie kämpfen. Oder, wenn sie dennoch zögerlich sind, werden sie gezwungen werden. Diese Welt ist groß, Udinaas, viel größer, als du vielleicht denkst. Es gibt andere Länder, andere Reiche. Es gibt Furcht erregende Völker und Rassen. Wir werden im großen Stil suchen. Wir werden diejenigen finden, die uns nützlich sind. Und dann, eines Tages, werden wir erobern. Alle Königreiche. Alle Kontinente.«
    »Ihr werdet diese Meisterkämpfer täuschen müssen, Imperator. Sie müssen glauben, Euch zu töten, bedeute ihren Sieg. Ihr müsst dafür sorgen, dass es aussieht, als würde Euer Ego Euch zu diesen Herausforderungen zwingen. Sie dürfen nichts von der Macht des Schwertes erfahren, von den Forderungen, die es an Euch stellt.«
    »Ja, du hast Recht, Udinaas. Zusammen werden wir die Zukunft gestalten. Es wird dir an nichts fehlen.«
    »Imperator, es fehlt mir schon jetzt an nichts. Ich brauche keine Versprechungen. Bitte, ich wollte Euch mit meinen Worten nicht beleidigen. Ich wollte nur sagen, dass keine Notwendigkeit für Versprechungen besteht.«
    Plötzlicher Schmerz in Rhulads dunklen Augen, ein Ausdruck von Kummer und Leid, der Udinaas irgendwo tief in seinem Innern fast zerriss. Alles, was er tun konnte, war, dem Blick des Imperators weiter standzuhalten.
    »Wir möchten jetzt etwas Wein, Udinaas.« Ein Tonfall, in dem tiefes Leid mitschwang. »Zwei Kelche, einen für dich und einen für mich. Wir werden trinken und an gar nichts denken. Und vielleicht werden wir über belanglose Dinge reden.«
    Udinaas ging zum Tisch, auf dem ein Krug mit letheriischem Wein stand. »Ich habe früher einmal Dresh besucht«, sagte er, während er zwei Kelche füllte. »Und geräucherten Moosaal gegessen. Wollt Ihr, dass

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