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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Tiste Edur haben sich verändert. Aber ich nicht.
     
    Es ging nach Süden, durch eine Region, die als die Grasnarbe bekannt war – ein abgeholztes Buschland, das einst Teil des Aufschreiwaldes gewesen war –, an der ausgebrannten Stadt Belagerungsstätte vorbei, und dann auf dem allmählich ansteigenden Ausschaupfad hinauf in die hügeligen Ausschauhöhen. Drei Tage dauerte die Durchquerung der alten Hügel – ein Gebiet, das von wilden Ziegen völlig kahl gefressen war –, dann erreichten sie die Moosstraße. Von dort aus weiter in Richtung Nordosten am Ufer der Moos entlang bis nach Rippen, wo es eine Furt gab.
    Die sich zurückziehenden Streitkräfte der Letherii hatten das Land, das vor dem Imperator und seiner Armee lag, ausgeplündert. Die militärischen Vorrats- und Materiallager, von denen Hull Beddict wusste, waren alle leer. Ohne die Schattengespenster wäre es unmöglich gewesen, die Armee der Edur zu versorgen – die Invasion wäre zum Stillstand gekommen. Das war nicht hinnehmbar, hatte Rhulad entschieden. Der Feind wankte. Dies musste so bleiben.
    Udinaas erinnerte sich daran, dass er einmal einen geräucherten Aal aus der Moos gegessen hatte, als ein Handelsschiff in Dresh angelegt hatte. Köstlich, wenn man sich erst einmal an die pelzige Haut gewöhnt hatte, die man kauen musste, aber nicht schlucken durfte. Seither hatte er von einem anderen Sklaven gehört, dass die Aale im Dresh-See angesiedelt worden waren, was zu einer Variante geführt hatte, die sowohl größer als auch bösartiger war. Es hatte sich herausgestellt, dass die Aale, die in der Moos gefangen worden waren, Jungtiere gewesen waren, und dass nur wenige Tiere überhaupt je zu ausgewachsenen Exemplaren heranwuchsen, denn in dem Fluss lebte auch ein Raubfisch mit messerscharfen Zähnen. Im Dresh-See gab es ihn hingegen nicht. Jugendliche aus Dresh, die im See geschwommen hatten, verschwanden, und es dauerte einige Zeit, bis klar wurde, dass die ausgewachsenen Aale dafür verantwortlich waren. Daraufhin waren netzeweise Raubfische mit messerscharfen Zähnen im Fluss gefangen und im See ausgesetzt worden, doch ihr Verhalten änderte sich; sie verwandelten sich in rasende Fresser. Jetzt verschwanden auch Erwachsene aus Dresh, die im See schwimmen gegangen waren. Der Sklave, der all das erzählt hatte, hatte schließlich gelacht und mit den Worten geendet: »Also haben sie den ganzen See vergiftet und alles getötet. Und jetzt kann niemand mehr darin schwimmen!«
    Aus diesen Geschehnissen konnte man mehrere Lektionen ableiten, vermutete Udinaas, wenn einem danach war, Lektionen aus vielen dummen Taten abzuleiten.
    Sie hatten an der Straße einen Tagesmarsch westlich von Rippen ihr Lager aufgeschlagen. Der Imperator litt unter irgendeinem Fieber. Heilerinnen kümmerten sich um ihn, und das Letzte, was Udinaas gehört hatte, war, dass Rhulad jetzt schlief. Es war später Nachmittag, und die Sonnenstrahlen ließen die Oberfläche des Flusses rot und golden erglühen.
    Udinaas ging am steinigen Ufer entlang und warf gelegentlich Steine ins Wasser, zerschmetterte die unheimlichen Farben. Im Augenblick fühlte er sich überhaupt nicht wie ein Sklave oder ein Schuldner. Er schritt im Schatten des Imperators dahin, und alle konnten es sehen und darüber staunen.
    Er hörte Schritte auf dem Kies knirschen; als er sich umdrehte, sah er Hull Beddict zum Ufer herunterkommen. Ein großer Mann mit übergroßen Muskeln, von denen jeder einzelne irgendwie etwas auszubrüten schien. Auch in seinen Augen leuchtete es fiebrig, doch im Gegensatz zu Rhulad hatte dieses Feuer nichts mit einer Krankheit zu tun. »Udinaas.«
    Der Sklave sah zu, wie der Mann langsam näher kam, und kämpfte gegen den instinktiven Drang an, so etwas wie Ehrerbietung zu zeigen. Die Zeit für solch ein Verhalten war schließlich vorbei. Er wusste nur nicht genau, was stattdessen angebracht war.
    »Ich habe nach dir gesucht.«
    »Warum?«
    »Es geht um den Zustand des Imperators …«
    Udinaas zuckte die Schultern. »Ein Marschfieber, nichts weiter –«
    »Davon habe ich nicht gesprochen, Sklave.«
    »Ich bin nicht dein Sklave, Hull Beddict.«
    »Es tut mir Leid. Du hast Recht.«
    Udinaas hob einen neuen Stein auf. Er wischte den Dreck von der Unterseite, bevor er ihn ins Wasser warf. Sie schauten zu, wie er spritzend unter der Wasseroberfläche verschwand, dann sagte Udinaas: »Ich verstehe dein Bedürfnis, dich von den anderen Letherii abzugrenzen, die mit dieser Armee

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