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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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krächzenden, brüchigen Stimme. »Steh auf.« Der Imperator trat dicht an ihn heran und legte eine Hand, deren Rücken mit Münzen besetzt war, auf Forchts Schulter. »Es gibt vieles, das ich dir sagen muss, aber dazu kommen wir später.«
    »Wie du befiehlst, Imperator.«
    Rhulads gehetzter Blick wanderte weiter. »Trull.«
    Er kniete nieder und betrachtete die Erde vor sich. »Imperator.«
    »Steh auf. Wir haben auch dir etwas zu sagen.«
    Bestimmt. »Ist Mutter gut angekommen?«
    Ein Aufblitzen von Gereiztheit. »Das ist sie.« Es schien, als wollte er noch mehr zu Trull sagen, doch dann änderte er sein Vorhaben und wandte sich an B’nagga. »Geht es den Jheck gut, B’nagga?«
    Ein wildes Grinsen. »Aber ja, Imperator.«
    »Das freut uns. Hannan Mosag wird sich mit dir über die bevorstehende Schlacht unterhalten. Für solche Gespräche ist ein Zelt vorbereitet worden. Hull Beddict hat uns Karten mit allen Einzelheiten gezeichnet.«
    B’nagga verbeugte sich und ging zum Hexenkönig. Die beiden verließen die Gruppe, dicht gefolgt von Hull Beddict.
    »Unsere Brüder«, sagte Rhulad. Das Schwert in seiner linken Hand zitterte. »Kommt, wir werden in unserem eigenen Zelt etwas essen und trinken. Udinaas, geh voran.«
    Der Sklave marschierte auf die dicht gedrängt stehenden Krieger zu. Die Edur wichen vor dem unscheinbaren Letherii zurück, und der Imperator, Forcht und Trull folgten ihm dichtauf.
    Kurze Zeit später erreichten sie das Kommandozelt, nachdem sie eine Gasse entlanggeschritten waren, deren Mauern aus Körpern, in die Luft gereckten Waffen und Kriegsschreien bestanden hatten. Zu beiden Seiten des Eingangs hielten Gespenster Wache. Sobald der Sklave und die drei Brüder das Zelt betreten hatten, wirbelte Rhulad herum und brachte Trull mit einer Hand zum Stehen. »Wie sehr willst du mich noch bedrängen, Trull?«
    Er schaute auf die Hand hinunter, die gegen seine Brust drückte. »Mir scheint, du bist derjenige, der hier bedrängt, Rhulad.«
    Einen Augenblick lang herrschte angespannte Stille, dann stieß sein Bruder ein bellendes Lachen aus und trat einen Schritt zurück. »Worte aus unserer Vergangenheit, was? So, wie wir einst waren, bevor« – ein Wedeln mit dem Schwert – »all das geschehen ist.« Sein gramzerfurchter Blick heftete sich einen Moment auf Trull. »Wir haben dich vermisst.« Er lächelte Forcht zu. »Wir haben euch beide vermisst. Udinaas, besorg uns Wein!«
    »Ein Getränk der Letherii«, sagte Forcht.
    »Ich habe Geschmack daran gefunden, Bruder.«
    Trull und Forcht folgten Rhulad ins innere Zimmer, wo der Sklave bereits drei von den Letherii stammende, mit Gold und Silber verzierte Kelche mit dunklem Wein füllte. Trull fühlte sich aus dem Gleichgewicht gebracht, die unerwartete Lücke in Rhulads Fassade erschreckte ihn, schmerzte ihn – aus Gründen, die er nicht sofort erkennen konnte – irgendwo tief in seinem Innern.
    Ohne weiter auf den Thron zu achten, der unübersehbar in der Mitte des Raums stand, setzte sich der Imperator in der Nähe des mit Speisen beladenen, an einer Seitenwand aufgebauten Tischs auf einen dreibeinigen Stuhl mit einer Sitzfläche aus Ledergeflecht. Zwei weitere vollkommen gleich aussehende Stühle standen daneben. Rhulad winkte. »Kommt, Brüder, setzt euch zu uns. Wir wissen, wir verstehen nur zu gut, dass es den Anschein hatte, als wären wir nichts als Asche gewesen – damals, als die brüderliche Liebe zwischen uns auf so traurige Weise auf die Probe gestellt wurde.«
    Sie setzten sich auf die niedrigen Stühle, und Trull konnte sehen, dass selbst Forcht verblüfft war.
    »Wir dürfen vor unseren Erinnerungen nicht davonlaufen«, sagte Rhulad, als Udinaas ihm seinen Kelch brachte. »Das Blut der Verwandtschaft muss nicht immer brennen, Brüder. Es muss auch Zeiten geben, in denen es uns einfach … wärmt.«
    Forcht räusperte sich. »Auch wir haben dich … vermisst, Imperator –«
    »Das reicht! Keine Titel! Rhulad, so hat unser Vater mich genannt, wie er allen seinen Söhnen einen Namen aus der langen Liste der Ahnen der Sengars gegeben hat. Man vergisst es viel zu leicht.«
    Udinaas drückte Forcht einen Kelch in die Hand. Finger schlossen sich wie aus eigenem Antrieb darum.
    Trull blickte auf, als der Sklave sich ihm mit dem letzten Becher näherte. Er blickte dem Letherii in die Augen und war überrascht, was er in ihnen sah. Er streckte die Hand aus und nahm den Wein entgegen. »Ich danke dir, Udinaas.«
    Rhulad zuckte zusammen.

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