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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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auch immer sie ursprünglich ausgesehen haben mochten – wurden nun, da sie in die Tat umgesetzt wurden, zu einer Abfolge nüchterner widriger Umstände. Kleider waren nicht leicht abzulegen, außer, sie waren für genau diesen Zweck geschaffen worden, und diese waren es nicht. Mayens Passivität ließ den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit nur noch deutlicher hervortreten, bis das Ganze zu einem Ereignis wurde, das jeglicher Romantik entbehrte.
    Udinaas konnte sehen, wie Rhulads Lust erschlaffte. Natürlich würde sie von neuem erwachen. Der Imperator war schließlich jung. Die Gefühle des Objekts seiner Begierde waren unbedeutend, denn genau das war Mayen geworden – ein Objekt. Seine Trophäe.
    Die nächsten Worte des Imperators verrieten, dass er spürte, wie sich jegliche Aussicht darauf verlor, ihre Begierden könnten sich miteinander verbinden. »Ich habe in deinen Augen gesehen, wie sehr du mich wolltest. Jetzt steht niemand mehr zwischen uns, Mayen.«
    Aber er tut es sehr wohl, Rhulad. Überdies ist deine Monstrosität zu etwas geworden, das du nun deutlich sichtbar am Körper trägst. Und jetzt geschieht, was geschehen musste. Letheriigold gibt seiner natürlichen Neigung nach. Jetzt vergewaltigt Letheriigold diese Tiste Edur. Ha.
    Die Lust des Imperators war zurückgekehrt. Seine eigene Aussage hatte ihn überzeugt.
    Er zog sie zu dem Bett an der hinteren Wand des Raums. Es hatte Hannan Mosag gehört und war daher nur für eine Person gedacht. Es bot nicht genug Platz, um sich nebeneinander zu legen, doch das erwies sich für Rhulads Absichten nicht als hinderlich. Er gab ihr einen Schubs, so dass sie rücklings auf das Bett fiel, blickte einen Moment auf sie hinunter und sagte dann: »Nein, ich würde dich zerquetschen. Komm hoch, meine Liebe. Du wirst mich besteigen. Ich werde dir Kinder machen. Das verspreche ich dir. Viele Kinder, die du heiß und innig lieben wirst. Es wird Erben geben. Viele Erben.«
    Seine Worte waren ein Appell an untrügliche Instinkte, wie Udinaas sehr wohl hören konnte, und beinhalteten das Versprechen einer späteren Erlösung. Sie gaben ihr einen Grund, die Prüfung der Gegenwart zu überleben.
    Rhulad ließ sich auf das Bett sinken, die Arme zur Seite gestreckt.
    Sie starrte auf ihn hinunter.
    Setzte sich dann in Bewegung, um auf diesen wie ein Kreuz geformten Körper aus Gold zu klettern. Ließ sich auf ihn hinab.
    Der sexuelle Akt – das Spiel der Sterblichkeit. So eingedampft, dass Jahrzehnte zu Augenblicken wurden. Das Erwachen, das Schwelgen in überreizten Gefühlen, ein kurzer Strahl, um Leben zu erzeugen, Erschöpfung und dann der Tod. Rhulad war jung. Er hielt nicht lange genug durch, um sein Ego zu besänftigen.
    Doch auch so sah Udinaas in jenem Augenblick, bevor er unter ihr zu zucken begann, bevor er schwer aufstöhnte und dieses Stöhnen sich in ein Winseln verwandelte und verklang, wie Mayens Selbstbeherrschung zu bröckeln begann. Als ob sie einen Funken in ihrem Innern gefunden hätte, den sie in wirkliches Begehren – vielleicht sogar in echte Lust – verwandeln konnte. Und als er sich entlud, flackerte dieser Funke noch einmal auf und erstarb.
    Rhulad hatte nichts von alledem mitbekommen, denn seine Augen waren geschlossen, und er hatte sich völlig in sein Inneres zurückgezogen.
    Er würde natürlich besser werden. Zumindest stand dies zu erwarten. Möglicherweise würde sie diesen Akt in Zukunft sogar in gewissem Maß beherrschen und dadurch jenen Funken wiederbeleben und weiter entfachen können.
    In diesem Augenblick, so glaubte Udinaas, wurde Mayen wirklich zur Imperatrix, zum Weib des Imperators. In diesem Augenblick schwand Udinaas’ Vertrauen in ihren Geist – falls Vertrauen das richtige Wort für diesen einzigartigen Krieg zwischen Erwartung und Hoffnung war. Wenn er Mitleid empfunden, wenn er etwas gespürt hätte, hätte er vielleicht verstanden, was da geschah, und dann hätte ihn sein Einfühlungsvermögen vielleicht weicher werden lassen. Doch Mitleid zu haben bedeutete eine Verpflichtung, eine Achtsamkeit, die über das reine Bezeugen hinausging – und davon spürte er nichts.
    Er hörte ein leises Weinen, das von einer anderen, im Dunklen liegenden Ecke des Zimmers kam, und wandte langsam den Kopf, um zur vierten und letzten anwesenden Person hinzublicken. Die genau wie er Zeuge der Vergewaltigung mit all ihrer verborgenen, metaphorischen Gewalttätigkeit geworden war. Doch diese Zeugin war in jenem Entsetzen gefangen,

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