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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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wichtig. Lass uns gehen, bevor noch etwas Schreckliches passiert.«

Kapitel Zwei
     
    Aus der Weiße
    Aus der Sonne brüchig’ Entsetzen
    Wir sind die grimmen Gestalten
    Die jegliches Schicksal heimsuchen
     
    Aus der Weiße
    Aus des Windes heiserem Kreischen
    Wir sind die dunklen Geister
    Die jedes Schicksal heimsuchen
     
    Aus der Weiße
    Aus des Schnees weltlich Schlachtgewühl
    Wir sind die Wölfe des Schwertes
    Die jedes Schicksal heimsuchen
     
    Marschlied der Jheck
     
    F
    ünfzehn Schritt, nicht mehr, zwischen Imperator und Sklave. Und eine Hand voll Letherii-Teppiche – Beutestücke aus einem Raubzug, der vor einem Jahrhundert oder gar noch längerer Zeit stattgefunden hatte –, die von vielen Füßen abgenutzt waren; verblasste Farben kennzeichneten in kaum wahrnehmbaren Mustern die Wege, die diese Füße durch die heldenhaften Szenen genommen hatten. Könige wurden gekrönt. Kämpen triumphierten. Bilder aus der Vergangenheit, über die die Edur gleichgültig hinweggegangen waren, in Gedanken immer nur bei ihren kleinen Reisen durch dieses Zimmer.
    Udinaas war nicht gewillt, diesen Einzelheiten irgendwelche Bedeutung beizumessen. Er hatte sein eigenes Muster gefunden – einen nie schwankenden, scharfen Blick und dahinter einen losgelösten Geist, an dessen Oberfläche es keinerlei Wellen gab und dessen Tiefe unbewegt war.
    Es war sicherer so. Er konnte hier stehen, genau in der Mitte zwischen zwei Fackeln, so dass er weder von der einen, noch von der anderen in Licht getaucht wurde, und von diesem unbestimmten Zentrum aus schaute er nun zu, wie Rhulad seinen Bärenfellumhang ablegte und nackt vor seinem neuen Weib stand.
    Es hätte Udinaas vielleicht erheitert – wenn er denn ein solches Gefühl zugelassen hätte –, dass er sehen konnte, wie Rhulads Begehren offensichtlich wurde und die Münzen, die in den Penis des Imperators eingebrannt waren, davonfloppten – eine, zwei, nochmals zwei, dann vier. Die Münzen fielen auf den mit Binsen bestreuten Fußboden; ein paar hüpften und rollten noch ein kleines Stückchen, ehe sie liegen blieben. Er wäre vielleicht auch über den Ausdruck in den rot geränderten Augen des Imperators entsetzt gewesen, als jener die Arme ausstreckte und Mayen näher an sich zog. Möglicherweise wären Wogen des Mitgefühls für die unglückliche junge Frau in ihm aufgestiegen  – doch alle diese Erwägungen waren theoretischer Natur.
    Während er diesen makabren und merkwürdig komischen Moment miterlebte, blieb der Sklave äußerlich wie innerlich unbewegt, und so spielte sich die bizarre Realität dieser Welt ohne irgendwelche Bemerkungen ab.
    Anfangs war Mayens Selbstbeherrschung unerschütterlich. Rhulad nahm ihre Hand und schob sie nach unten, zog die junge Frau näher an sich heran. »Mayen«, sagte der Imperator rau, mit einer Stimme, die Zärtlichkeit aufzubringen versuchte und doch nichts weiter als rohe Lust zustande brachte. »Sollte ich dir vielleicht offenbaren, dass ich von diesem Augenblick geträumt habe?« Ein raues Lachen. »Nein, das stimmt nicht ganz. Nicht genau so. Nicht mit so … vielen … Einzelheiten.«
    »Du hast dein Begehren deutlich gemacht, Rhulad. Schon … vorher.«
    »Ja, nenn mich Rhulad. Wie du es früher getan hast. Zwischen uns muss sich nichts ändern.«
    »Aber ich bin deine Imperatrix.«
    »Mein Weib.«
    »Wir können nicht so tun, als wenn sich nichts geändert hätte.«
    »Ich werde dich lehren, Mayen. Ich bin immer noch Rhulad.«
    Dann umarmte er sie auf eine unbeholfene, kindliche Weise und hüllte sie dabei in Gold. »Du musst dir keine Gedanken um Forcht machen«, sagte er. »Mayen, du bist sein Geschenk an mich. Der Beweis seiner Loyalität. Er hat getan, was ein Bruder tun sollte.«
    »Ich war verlobt –«
    »Und ich bin der Imperator! Ich darf die Regeln brechen, die die Edur binden. Die Vergangenheit ist tot, Mayen – und ich bin derjenige, der die Zukunft gestalten wird! Mit dir an meiner Seite. Ich habe gesehen, wie du mich angeschaut hast, Tag um Tag, und ich konnte das Begehren in deinen Augen erkennen. Oh, wir haben beide gewusst, dass Forcht dich am Ende bekommen würde. Was konnten wir also tun? Nichts. Aber ich habe das alles geändert.« Er trat einen kleinen Schritt zurück, obwohl sie ihn immer noch mit einer Hand festhielt. »Mayen, mein Weib.« Er begann sie auszuziehen.
    Wirklichkeit. Augenblicke, die stolpernd aufeinander folgen. Unbeholfene Notwendigkeiten. Rhulads Träume von dieser Szene – wie

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