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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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ab. »Was?«
    »Der Ceda war sehr eindeutig, was das angeht, Majestät. Ich darf ihn nicht töten.«
    »Er wird verbluten«, sagte Nifadas. Seine Worte klangen merkwürdig teilnahmslos.
    Doch Brys schüttelte den Kopf. »Das wird er nicht. Ich habe keine wichtigen Blutgefäße verletzt, Erster Eunuch.«
    Jetzt mischte sich der Edur-Krieger namens Trull ein. »Keine wichtigen Blutgefäße … Wie – wie könnt Ihr das wissen? Das ist nicht möglich … so schnell …«
    Brys sagte nichts.
    Der König sackte plötzlich in seinen Thronsessel zurück.
    Rhulads Schreie waren leiser geworden, und jetzt weinte er. Ein hilfloses Schluchzen. Plötzlich keuchte er auf. »Brüder! Tötet mich!«
    Bei Rhulads Aufforderung wich Trull Sengar zurück. Er schüttelte den Kopf, blickte Forcht an und sah eine schreckliche Erkenntnis in den Augen seines Bruders.
    Rhulad heilte nicht. Sein Blut strömte auf die polierten Fliesen. Sein Körper war … zerstört. Und er heilte nicht. Trull drehte sich zu Hannan Mosag um und sah den hässlichen Schimmer tiefer Befriedigung in den Augen des Hexenkönigs.
    »Hannan Mosag«, flüsterte Trull.
    »Ich kann nicht. Sein Fleisch entzieht sich mir, Trull Sengar. Entzieht sich uns allen. Nur das Schwert … und nur durch das Schwert. Du musst es tun, Trull Sengar. Oder Forcht.« Eine erschöpfte Geste mit einer Hand. »Oh, ruft irgendjemand anderen herein, wenn ihr nicht den Mut habt …«
    Mut.
    Bei diesen Worten gab Forcht ein Ächzen von sich. Als hätte man ihn in den Bauch geschlagen.
    Trull musterte ihn – doch Forcht hatte sich nicht bewegt, keinen einzigen Schritt getan. Er zwang sich, den Blick von seinem ältesten Bruder abzuwenden und richtete ihn erneut auf Rhulad.
    »Meine Brüder.« Rhulad weinte wieder. »Tötet mich. Einer von euch muss es tun. Bitte.«
    Der Kämpe – dieser außergewöhnliche, beängstigende Schwertkämpfer – trat zu dem Weinkrug, der fast zu Füßen des Throns stand. Der König sah aus, als wäre er halb eingeschlafen; er wirkte teilnahmslos, und sein Gesicht war gerötet und schlaff. Trull holte tief Luft. Er musterte den Ersten Eunuchen, der, den Rücken an die Wand gelehnt, auf dem Fußboden saß. Ein weiterer, etwas älterer Mann stand neben Nifadas, die Hände vor die Augen geschlagen – eine Geste, die gleichermaßen merkwürdig wie erbärmlich wirkte. Die Frau, die hinter dem Thron stand, wich langsam zurück, als wäre ihr erst jetzt etwas schlagartig klar geworden. Da war noch ein anderer Mann gewesen – ein junger, gut aussehender Mann –, doch der war anscheinend verschwunden.
    Entlang der Wände hatten die sechs Männer der Palastgarde ihre Schwerter gezogen und hielten sie vor die Brust, ein stummer Salut für den Kämpen des Königs. Ein Salut, den auch Trull ihm gewähren wollte. Sein Blick kehrte erneut zu Brys zurück. Er wirkte auf den ersten Blick so bescheiden, so … Sein Gesicht. Es ist mir vertraut … Hull Beddict. Er ähnelt Hull Beddict. Ja, das muss sein Bruder sein. Der jüngste. Er schaute zu, wie der Letherii Wein aus dem Krug in den Kelch goss, den der König zuvor benutzt hatte.
    Oh Schwestern, dieser Kämpe – was hat er getan? Er hat uns diese … diese Antwort gegeben. Diese … Lösung.
    Ein gellender Schrei von Rhulad. »Forcht!«
    Hannan Mosag hustete. »Er ist fort, Imperator«, sagte er dann.
    Trull wirbelte herum, schaute sich um. Fort? Nein – »Wohin? Hannan Mosag, wohin ist -?«
    »Er … ist weggegangen.« Das Lächeln des Hexenkönigs war blutbefleckt. »Einfach so, Trull Sengar. Weggegangen. Jetzt verstehst du es, oder?«
    »Er ist gegangen, um die anderen zu holen, um sie herzubringen …«
    »Nein«, sagte Hannan Mosag. »Das glaube ich nicht.«
    Rhulad wimmerte, dann stieß er wütend hervor: »Trull! Ich befehle es dir! Dein Imperator befiehlt es dir! Stoß mir deinen Speer ins Herz! Stoß zu!«
    Trulls Augen füllten sich mit Tränen. Und als was soll ich ihn jetzt betrachten? Als was? Als meinen Imperator, oder als meinen Bruder? Er taumelte, wäre beinahe zusammengebrochen, als ihn eine Woge von Qual durchflutete. Forcht. Du bist gegangen. Hast uns verlassen. Hast mich mit … dem hier zurückgelassen.
    »Bruder! Bitte!«
    Vom Eingang her kam ein leises Schnattern.
    Trull drehte sich um, sah die verschnürten Gestalten der Königin und des Prinzen, die wie zwei obszöne Trophäen an der Wand lehnten. Das Geräusch kam von der Königin, und er sah, dass ihre Augen glänzten.
    Etwas – etwas anderes –

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