Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
hier ist noch mehr …
    Er drehte sich erneut um. Schaute zu, wie der Kämpe sich aufrichtete, den Kelch in der Hand. Schaute zu, wie er ihn an die Lippen hob.
    Trulls Blick zuckte zum König. Zu dem starren Blick unter halb geschlossenen Lidern. Den leeren Augen. Der Edur wandte den Kopf, blickte dorthin, wo der Erste Eunuch saß. Reglos, das Kinn auf der Brust.
    »Nein!«
    Während der Kämpe trank, den Kopf in den Nacken gelegt. Zwei Schlucke, dann drei. Er setzte den Kelch ab und wandte sich dann Trull zu. Runzelte die Stirn. »Ihr solltet lieber gehen«, sagte er. »Und nehmt Euren Hexer mit. Solltet Ihr Euch dem Imperator nähern, werde ich Euch töten.«
    Zu spät. Es ist … alles … zu spät. »Was – was habt Ihr vor?«
    Der Kämpe blickte auf Rhulad hinunter. »Wir werden … ihn irgendwohin bringen. Ihr werdet ihn nicht finden, Edur.«
    Die Königin schnatterte erneut, was den Schwertkämpfer offensichtlich bestürzte.
    »Es ist zu spät«, sagte Trull. »Für Euch jedenfalls. Wenn Ihr über irgendwelches Mitgefühl verfügt, Kämpe, dann schickt Eure Männer jetzt weg. Und lasst sie die Frau mitnehmen. Meine Verwandten werden in wenigen Augenblicken hier sein.« Sein Blick fiel auf Rhulad. »Um den Imperator müssen sich die Edur kümmern.«
    Der spöttische Ausdruck im Gesicht des Kämpen vertiefte sich. Dann blinzelte er, schüttelte den Kopf. »Was … was meint Ihr? Ich sehe, dass Ihr Euren Bruder nicht töten werdet. Und er muss sterben, oder? Um zu heilen. Um … zurückzukehren.«
    »Ja. Es tut mir Leid, Kämpe. Ich habe Euch zu spät gewarnt.«
    Der Schwertkämpfer sackte plötzlich in sich zusammen, und er streckte eine blutige Hand in Richtung des Throns aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das Schwert, das er noch immer in der anderen Hand hielt, schwankte und senkte sich, bis die Spitze den Boden berührte. »Was – was –«
    Trull sagte nichts.
    Doch Hannan Mosag, der sich nichts aus Mitleid machte, lachte erneut auf. »Ich verstehe Eure Geste, Kämpe. Eine Kaltblütigkeit, die der Eures Königs gleichkommen sollte. Außerdem –« Seine Worte verwandelten sich in ein Husten. Er spuckte Schleim aus und sprach weiter. »Außerdem hat es kaum eine Rolle gespielt, oder? Ob Ihr leben oder sterben würdet. So hat es jedenfalls ausgesehen. In jenem frechen, schicksalhaften Augenblick zumindest.«
    Der Kämpe sank auf den Fußboden und starrte den Hexenkönig verständnislos an.
    »Schwertkämpfer«, rief Hannan Mosag. »Höre mich, höre diese letzten Worte. Ihr habt verloren. Euer König ist tot. Er war schon tot, noch ehe Ihr überhaupt Euren Kampf begonnen habt. Ihr habt gekämpft, um einen toten Mann zu verteidigen, Kämpe.«
    Die Augen des Letherii weiteten sich, und er versuchte mühsam sich herumzuziehen, versuchte hochzublicken, zum Thron, zu der Gestalt, die dort saß. Doch die Anstrengung erwies sich als zu groß, und er rutschte wieder nach unten, sein Kopf fiel zur Seite.
    Der Hexenkönig lachte. »Er hatte kein Vertrauen. Nur Gold. Er hatte kein Vertrauen in Euch, Schwertkämpfer –«
    Trull trat zu ihm. »Sei still!«
    Hannan Mosag blickte mit einem höhnischen Grinsen zu ihm auf. »Sei vorsichtig, Trull Sengar. Du bist nichts für mich.«
    »Willst du jetzt Anspruch auf den Thron erheben, Hexenkönig?«, fragte Trull.
    Ein wütender Aufschrei von Rhulad.
    Hannan Mosag sagte nichts.
    Trull warf einen Blick zurück über die Schulter. Sah den Kämpen ausgestreckt auf dem Podest liegen, zu Füßen seines Königs. Er lag vollkommen reglos da, eine Mischung aus Überraschung und Bestürzung auf seinem jungen Gesicht. Seine Augen starrten ins Leere, sahen nichts. Andererseits konnte es keinen anderen Weg geben. Keinen anderen Weg, einen solchen Mann zu töten.
    Trull blickte wieder auf den Hexenkönig hinunter. »Jemand wird tun, was er befiehlt«, sagte er mit leiser Stimme.
    »Glaubst du das wirklich?«
    »Seine erwählten Verwandten –«
    »Werden … nichts tun. Nein, Trull, nicht einmal Binadas. Genau wie deine Hand gehemmt ist, wird es auch ihre sein. Es ist ein Segen, siehst du es nicht? Natürlich tust du das. Du siehst es nur zu gut. Ein Segen.«
    »Während du dieses Wrack von einem Körper auf den Thron hebst, Hannan Mosag?«
    Die Antwort war klar und deutlich in den Augen des Hexenkönigs zu erkennen. Er gehört mir.
    Von dort, wo Rhulad lag, kam ein heiseres Flüstern. »Trull … bitte. Ich bin dein Bruder. Verlass … verlass mich nicht. Nicht so.

Weitere Kostenlose Bücher