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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Bitte.«
    In Trulls Innern zerbrach alles, was noch zerbrechen konnte. Er ging ein paar Schritte von Hannan Mosag weg und sank langsam auf die Knie. Ich brauche Forcht. Ich muss ihn finden. Muss mit ihm reden.
    »Bitte, Trull … ich wollte nie, ich wollte nie …« Trull starrte auf seine Hände hinunter. Er hatte seinen Speer fallen gelassen – er wusste nicht einmal, wo er überhaupt war. Es waren noch sechs Männer der Palastgarde im Raum – er blickte auf – nein, sie waren fort. Wo waren sie hin? Der alte Mann, der neben dem Leichnam des Ersten Eunuchen gestanden hatte – wo war er? Und die Frau? Wo waren sie nur alle hin?
     
    Tehol Beddict schlug die Augen auf. Eines von ihnen funktionierte nicht besonders gut, wie er feststellte. Er blinzelte. Eine niedrige Decke. Von der es tropfte.
    Eine Hand strich ihm über die Stirn, und er drehte den Kopf. Oh, das tut weh. Bagg beugte sich über ihn und nickte ihm zu. Tehol versuchte, das Nicken zu erwidern und hätte es auch beinah geschafft. »Wo sind wir?«
    »In einer Gruft. Unter dem Fluss.«
    »Sind wir … sind wir nass geworden?«
    »Nur ein bisschen.«
    »Oh.« Er dachte einige Zeit über diese Worte nach. Dann sagte er: »Ich müsste eigentlich tot sein.«
    »Ja, das müsstet Ihr. Aber Ihr habt durchgehalten. Und das ist mehr, als man von dem armen Chalas sagen kann.«
    »Chalas?«
    »Er hat versucht, Euch zu schützen, und dafür haben sie ihn getötet. Es tut mir Leid, Tehol. Ich bin zu spät gekommen.«
    Er dachte auch darüber einige Zeit nach. »Die Tiste Edur.«
    »Ja. Ich habe sie getötet.«
    »Du?«
    Bagg nickte, schaute kurz beiseite. »Ich fürchte, ich habe die Beherrschung verloren.«
    »Aha.«
    Der Diener blickte ihn wieder an. »Ihr klingt nicht sonderlich überrascht.«
    »Das bin ich auch nicht. Ich habe dich auf Küchenschaben herumtrampeln sehen. Du bist unbarmherzig.«
    »Alles für eine Mahlzeit.«
    »Ja, und was ist überhaupt damit? Wir haben nie genug gegessen – nicht, um so gesund zu bleiben, wie wir es waren.«
    »Das stimmt.«
    Tehol versuchte sich aufzusetzen, stöhnte und legte sich wieder hin. »Ich rieche Schlamm.«
    »Schlamm, ja. Salzigen Schlamm, genauer gesagt. Hier sind Fußspuren, sie waren schon da, als wir gekommen sind. Fußspuren, die quer durch die Gruft gehen.«
    »Als wir angekommen sind. Wann war das?«
    »Es ist noch nicht lange her. Einige Augenblicke …«
    »In denen du alle meine Knochen geheilt hast.«
    »Und Euch ein neues Auge gegeben, die meisten Eurer inneren Organe wieder in Ordnung gebracht und noch so dies und jenes.«
    »Das Auge funktioniert nicht besonders gut.«
    »Gebt ihm Zeit. Säuglinge können nicht weiter als bis zur Brust sehen, wie Ihr wisst.«
    »Nein, das wusste ich nicht. Aber ich kann das Gefühl gut nachempfinden.«
    Sie schwiegen einige Zeit.
    Dann seufzte Tehol und sagte: »Aber das ändert alles.«
    »Tut es das? Wie?«
    »Nun, angeblich bist du mein Diener. Wie kann ich die Illusion aufrechterhalten, dass ich es bin, der das Sagen hat?«
    »Genauso, wie Ihr es immer getan habt.«
    »Ha, ha.«
    »Ich könnte dafür sorgen, dass Ihr alles vergesst.«
    »Was soll ich vergessen?«
    »Sehr witzig.«
    »Nein«, sagte Tehol, »ich meine, was genau?«
    »Nun«, sagte Bagg und rieb sich das Kinn, »die Ereignisse des heutigen Tages, nehme ich an.«
    »Du hast also alle diese Tiste Edur getötet.«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Und mich dann unter den Fluss getragen.«
    »Ja.«
    »Aber deine Kleider sind trocken.«
    »Das stimmt.«
    »Und du heißt eigentlich gar nicht Bagg.«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    »Aber ich mag den Namen.«
    »Ich auch.«
    »Und wie heißt du wirklich?«
    »Mael.«
    Tehol runzelte die Stirn, musterte das Gesicht seines Dieners und schüttelte dann den Kopf. »Es passt nicht zu dir. Bagg ist besser.«
    »Ich bin Eurer Ansicht.«
    »Also …, du konntest alle diese Krieger töten. Mich heilen. Unter einen Fluss bringen. Dann beantworte mir jetzt eine Frage: Warum hast du sie nicht alle getötet? Und diese Invasion zum Stillstand gebracht?«
    »Ich habe meine Gründe.«
    »Mitzuerleben, wie Lether erobert wird? Magst du uns nicht?«
    »Lether? Nicht besonders. Ihr Letherii nehmt Eure naturbedingten Fehler und nennt sie Tugenden. Und die Gier ist die verachtenswerteste von allen. Die Gier und der Verrat am einfachen Volk. Wer hat denn überhaupt entschieden, dass Wettbewerb immer und ohne Ausnahme gesund ist? Wieso gerade dieser Weg zur Selbstachtung? Eure Ferse auf

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