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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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der Hand desjenigen unter Euch. Das soll etwas wert sein? Lasst es mich Euch sagen – es ist nichts wert. Nichts, was von Dauer wäre. Jedes Monument, das über den Augenblick hinaus besteht – ganz egal, im Namen welches Königs, Imperators oder Kriegers –, ist in Wirklichkeit ein Testament der Gemeinsamkeit, der Zusammenarbeit, der Mehrzahl statt der Einzahl.«
    »Oh«, unterbrach ihn Tehol, und er schaffte es, einen Finger zu heben, um seinen gegensätzlichen Standpunkt zu unterstreichen, »ohne einen König, einen General oder wen auch immer  – ohne einen Anführer wird kein Monument gebaut werden.«
    »Das liegt nur daran, dass ihr Sterblichen nur zwei Möglichkeiten kennt. Zu folgen oder zu führen. Nur diese beiden  – nichts anderes.«
    »Hör bloß auf. Ich habe Konsortien und Genossenschaften bei der Arbeit gesehen, Bagg. Der reinste Albtraum.«
    »Stimmt, fruchtbarer Boden für all diese Tugenden wie Gier, Missgunst, Verrat und so weiter. Mit anderen Worten, jeder in der Gruppe versucht eine Struktur aus Gefolgsleuten und Anführern aufzubauen. Verzichte auf eine formale Hierarchie, und du hast einen Wettstreit von Persönlichkeiten.«
    »Und wie sieht dann die Lösung aus?«
    »Wärt Ihr sehr enttäuscht, wenn Ihr hören würdet, dass Ihr es nicht seid?«
    »Wer? Ich?«
    »Eure Art. Macht Euch nichts daraus. Bisher ist es noch keine gewesen. Andererseits – niemand weiß, was die Zukunft bringen wird.«
    »Oh, für dich ist es leicht, so etwas zu sagen!«
    »In Wirklichkeit ist es das nicht. Seht, ich habe all diese Dinge wieder und wieder gesehen, zahllose Generationen lang. Um es einfach auszudrücken – es ist eine Sauerei, eine wirre, nicht in Ordnung zu bringende Sauerei.«
    »Du bist ein Gott … Du bist doch ein Gott, oder?«
    Der Diener zuckte die Schultern. »Stellt keine Vermutungen an. Über nichts. Niemals. Bleibt achtsam, mein Freund – und misstrauisch. Misstrauisch, aber fürchtet Euch nicht vor der Vielschichtigkeit.«
    »Und ich habe einen Rat für dich, wenn wir schon dabei sind.«
    »Und der wäre?«
    »Mach was aus deinen Fähigkeiten.«
    Bagg öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, schloss ihn dann wieder und starrte Tehol nur an.
    Der ihm ein unschuldiges Lächeln schenkte.
    Es hielt sich nur kurz, als weitere Erinnerungen an diesen Tag erwachten. »Chalas«, sagte Tehol nach einem kurzen Moment. »Dieser alte Narr.«
    »Ihr habt Freunde, Tehol Beddict.«
    »Und mein armer Leibwächter. Er hat sich in die Flugbahn des Speers geworfen. Freunde – ja … Was ist mit den anderen geschehen? Weißt du es? Ist Shurq in Ordnung? Und Kessel?«
    Bagg grunzte, ganz offensichtlich von etwas abgelenkt. »Ich glaube, es geht ihnen gut«, sagte er dann.
    »Willst du nachsehen gehen und dich überzeugen?«
    Er senkte den Blick. »Eigentlich nicht. Ich kann manchmal sehr selbstsüchtig sein, wie Ihr wisst.«
    »Nein, das wusste ich nicht. Aber ich muss zugeben, dass ich eine Frage habe. Ich weiß nur nicht, wie ich sie stellen soll.«
    Bagg musterte ihn mehrere Herzschläge lang, schnaubte dann und sagte: »Ihr habt keine Ahnung, Tehol, wie langweilig es sein kann … eine Ewigkeit lang zu existieren.«
    »Schön, aber … als Diener?«
    Bagg zögerte, schüttelte schließlich langsam den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. »Meine Freundschaft zu Euch, Tehol, war ein Quell unaufhörlicher Freude. Ihr habt in mir das Vergnügen am Dasein wiedererweckt, und Ihr werdet niemals begreifen, wie selten das ist.«
    »Aber … als Diener!«
    Bagg holte tief Luft. »Ich denke, es ist an der Zeit, dich diesen Tag vergessen zu lassen, mein Freund.«
    »Vergessen? Was vergessen? Gibt es hier irgendetwas zu essen?«
     
    Er hatte daran glauben wollen. An all die verschiedenen Arten des Ruhms. Die Welt konnte als etwas gestaltet werden, das einfach war, es bestand kein Bedarf an verwirrender Vielschichtigkeit; er hatte sich so sehr gewünscht, dass sie einfach wäre. Er schritt durch die merkwürdig stille Stadt. Da und dort waren Anzeichen vergangener Kämpfe zu sehen. Meist tote Letherii-Soldaten. Sie hätten sich ergeben sollen. Wie es jeder getan hätte, der sich zu irgendeiner Art von Vernunft bekannte, doch es schien, als wäre heute nicht der Tag für etwas, das vernünftig und nicht verworren war. Heute hatte der Wahnsinn die Oberhand, der in unsichtbaren Strömungen durch die Stadt glitt.
    Durch diese armen Letherii. Durch die Tiste Edur.
    Forcht Sengar ging weiter, ohne darauf zu achten, wohin

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