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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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erhaschte eine leichte Bewegung von dem Letherii an der hinteren Wand, und als er den Blick in diese Richtung wandte, sah er, dass der Mann den Kopf gedreht hatte und seine Aufmerksamkeit jetzt auf den Eingang gerichtet war. Der Mann runzelte plötzlich die Stirn.
    Dann hörte Trull Schritte. Schwere, schleppende Schritte. Ein metallisches Klirren und ein Geräusch, das an dahinfließendes Wasser erinnerte.
    Hannan Mosag drehte sich um. »Was? Was kommt da? Trull  – besorg dir eine Waffe! Schnell!«
    Trull bewegte sich nicht.
    Rhulad begann wieder zu weinen; ihm schien alles, was sonst in diesem Raum geschah, gleichgültig zu sein.
    Die dröhnenden Schritte kamen näher.
    Einen Augenblick später trat eine Erscheinung in Trulls Blickfeld, von deren in gepanzerten Handschuhen steckenden Händen Blut troff. Der Mann war fast so groß wie ein Tarthenal und in einen schwarzen, fleckigen, eisernen Plattenpanzer gehüllt, der mit grünen Nieten gespickt war. Ein großer Helm mit vergitterten Augenschlitzen verbarg sein Gesicht, ein Kettennetz hing ausgefranst auf seinen Schultern und unter dem gepanzerten Kinn. An den Ellbogen, den Knien und den Knöcheln war die Gestalt mit Entenmuscheln überkrustet. In einer Hand trug sie ein Schwert aus Letherii-Stahl, von dem unablässig Blut tropfte.
    »Was ist es, Trull? Was ist da gekommen?«, zischte Rhulad.
    Die monströse Erscheinung blieb direkt am Eingang stehen. Der Kopf knirschte, als sie sich umschaute und dann, wie es schien, den Blick auf den Leichnam des königlichen Kämpen richtete. Schließlich setzte sie sich wieder in Bewegung, eine doppelte Blutspur hinter sich zurücklassend.
    »Trull!«, kreischte Rhulad.
    Die Kreatur blieb stehen, blickte auf den Imperator hinunter. Nach einem kurzen Augenblick drang eine tiefe Stimme unter dem Helm hervor. »Ihr seid schwer verwundet.«
    Rhulad erbebte und lachte dabei – ein Lachen, das nach aufkommender Hysterie klang. »Verwundet? Oh ja. In Stücke gehauen!«
    »Ihr werdet überleben.«
    »Fort mit dir, Dämon«, knurrte Hannan Mosag plötzlich. »Oder ich werde dich bannen.«
    »Ihr könnt es ja versuchen«, sagte die Kreatur. Und setzte sich erneut in Bewegung. Bis sie genau vor dem Leichnam des Kämpen stand. »Ich kann keinerlei Wunden erkennen, und doch liegt er hier und ist tot. Dieser ehrenhafte Sterbliche.«
    »Gift«, sagte der Letherii an der hinteren Wand.
    Die Kreatur warf ihm einen Blick zu. »Ich kenne dich. Ich kenne alle deine Namen.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass dem so ist, Wächter«, erwiderte der Mann.
    »Gift. Sag mir, hast du ihn … in diese Richtung gestoßen?«
    »Es ist mein Aspekt«, sagte der Letherii und zuckte die Schultern. »Schmerzliche Entscheidungen … ziehen mich an. Sag mir, weiß dein Gott, dass du hier bist?«
    »Ich werde bald mit ihm sprechen. Ein paar strafende Worte sind notwendig.«
    Der Mann lachte und verschränkte die Arme, während er sich an die Wand lehnte. »Wahrscheinlich ist das tatsächlich so.«
    Der Wächter blickte erneut auf den Kämpen. »Er hat die Namen bewahrt. Von all jenen, die fast schon vergessen waren. Dies … dies ist ein großer Verlust.«
    »Nein«, sagte der Letherii. »Die Namen sind nicht verloren. Noch nicht. Aber … sie werden es bald sein.«
    »Dann … brauche ich also jemanden.«
    »Und du wirst ihn finden.«
    Der Wächter warf dem Letherii noch einmal einen Blick zu. »Werde ich gerade … gestoßen?«
    Der Mann zuckte erneut die Schultern.
    Der Wächter langte nach unten, packte den Kämpen am Schwertgürtel, hob ihn hoch und warf ihn sich über die linke Schulter. In einer sich ausbreitenden Blutlache stand er da und drehte sich langsam um.
    Schaute auf Rhulad Sengar hinunter. »Eure Freunde – sie zeigen keine Barmherzigkeit«, sagte er.
    »Nein?« Rhulads Lachen wurde zu einem Husten. Er keuchte und sagte dann: »Ich fange allmählich an, es … anders zu sehen–«
    »Ich habe Barmherzigkeit gelernt«, sagte der Wächter und stieß mit seinem Schwert zu.
    Der Stoß ging in Rhulads Rücken und durchtrennte die Wirbelsäule.
    Trull Sengar sprang auf, starrte ungläubig -
    - während der Letherii flüsterte: »Und … noch einmal.«
    Der Wächter stapfte auf den Eingang zu, Hannan Mosags wütendes Gebrüll nicht beachtend, als er an dem Hexenkönig vorbeikam.
    Trull stolperte vorwärts, um die reglose Gestalt seines Bruders herum, bis er vor Hannan Mosag stand. Er packte den Hexenkönig und zog ihn hoch und ganz dicht zu sich heran.

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