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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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er seine Schritte lenkte. Sein ganzes Leben lang hatte er nur eine einzige, leicht zu beschreibende Rolle gehabt. Bei seinem Volk Krieger auszubilden. Und sie, wenn es notwendig wurde, in die Schlacht zu führen. Es hatte keine großen Tragödien gegeben, die seine Jugend beeinträchtigt hätten, und er war nicht ins Erwachsenenleben gestolpert, sondern geschritten.
    Es hatte niemals eine Zeit gegeben, in der er sich allein gefühlt hatte. Allein im Furcht erregenden Sinn hieß das. Das Alleinsein war die Folge einer Entscheidung, und es konnte leicht aufgegeben werden, wenn es seinen Zweck erfüllt hatte. Trull war da gewesen. Und Binadas, und dann Rhulad. Aber zuallererst Trull. Ein Krieger, der wie kein Zweiter mit dem Speer umgehen konnte, aber ein Krieger ohne Blutdurst – und Blutdurst war der Fluch der Edur, wie Forcht nur allzu gut wusste. Eine Begierde, die jegliche Disziplin fortspülte, die einen gut ausgebildeten Kämpfer in einen Wilden verwandeln konnte, der rasend die Waffen schwang, das merkwürdige, gärende Schweigen der Tiste Edur, das von kaltem Denken herrührte. Bei anderen Völkern wurde dieser Abstieg mit Geschrei, Geheul und Gekreische kundgetan, das wusste er. Ein eigenartiger Unterschied – und einer, der Forcht Sengar aus unbekannten Gründen tief beunruhigte.
    Und dann, als er diesen Kämpen des Letherii-Königs angesehen hatte, diesen Bruder von Hull Beddict – Forcht konnte sich nicht erinnern, ob er jemals seinen Namen gehört hatte, aber wenn, dann hatte er ihn vergessen. Und das war an sich schon ein Verbrechen. Er würde den Namen des Mannes in Erfahrung bringen müssen. Es war wichtig, diesen Namen zu erfahren.
    Forcht konnte gut mit dem Schwert umgehen. Er war einer der besten Schwertkämpfer der Tiste Edur, eine Tatsache, die er einfach als gegeben hinnahm, ohne jeden Stolz, aber auch ohne falsche Bescheidenheit. Und er wusste, wenn er dem Kämpen im Thronsaal Mann gegen Mann gegenübergestanden hätte, hätte er einige Zeit durchgehalten. Eine angemessene Zeitspanne, und es wäre gut möglich gewesen, dass er den Letherii gelegentlich überrascht hätte. Doch Forcht machte sich nicht die geringsten Illusionen darüber, wer am Ende, wenn alles vorbei gewesen wäre, noch gestanden hätte.
    Er wollte weinen. Um jenen Kämpen. Um seinen König. Um Rhulad, den Bruder, den er wieder und wieder im Stich gelassen hatte. Um Trull, den er nun einer Entscheidung ausgeliefert hatte, die zu treffen kein Krieger gezwungen werden sollte.
    Weil er Rhulad einmal mehr im Stich gelassen hatte. Trull konnte das gewiss erkennen. Es gab keine Möglichkeit, die Feigheit zu verbergen, die durch Forcht hindurchraste. Nicht vor dem Bruder, mit dem ihn am meisten verband, den er am meisten schätzte. Der all meinen Zweifeln und meinem Entsetzen eine Stimme verliehen hat, so dass ich mich ihnen widersetzen konnte – so dass man sehen konnte, dass ich mich ihnen widersetzte.
    Dies alles … war von Hannan Mosag geformt worden. Das verstand er jetzt. Schon von Anfang an – seit der brutalen Vereinigung der Stämme – hatte es den geheimen Pakt mit dem unbekannten Gott gegeben. Das war jetzt so offensichtlich. Der Hexenkönig hatte sich von Vater Schatten abgewandt – und warum auch nicht? Schließlich war Scabandari Blutauge fort. Er war fort und würde niemals zurückkehren.
    Dann war es also nicht einmal Hannan Mosag, der diesen Pfad als Erster beschritten hat. Nein, es hat bereits viel früher angefangen. Viel, viel früher.
    Damals hatte es einen Augenblick gegeben, in dem alles noch einfach gewesen war. Dessen war er sich sicher. Bevor die schicksalhaften Entscheidungen getroffen worden waren. Und auf all das, was seither geschehen war, konnte nur einer die passenden Antworten geben, und das war Vater Schatten selbst.
    Er ging durch die staubigen Straßen, vorbei an Leichen, die hier und dort herumlagen wie bewusstlose Zecher, die in der Nacht zuvor ein wildes Fest gefeiert hatten. Mal abgesehen von dem Blut und den überall verstreut liegenden Waffen.
    Er fühlte sich … verloren. Es war ihm zu viel abverlangt worden – viel zu viel. Dahinten, im Thronsaal. Wir haben seinen Leichnam zurückgebracht. Aus der eisigen Einöde. Ich dachte, ich hätte Trull in den Tod geschickt. So viele Fehler – und ich war es, der sie alle gemacht hat. Es muss andere Mittel und Wege geben …, andere Möglichkeiten …
    Er blieb stehen, blickte hinunter auf einen Leichnam.
    Mayen.
    Er sah, dass der Hunger aus

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