Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
»Warum wollt Ihr das tun?«
    »Ich brauche Euch nicht mehr, Freisprecherin.«
    »Wahrscheinlich werden die Edur um Frieden bitten. Und dann werdet Ihr weit mehr beschäftigt sein als je zuvor, Buruk.« Sie trank einen Schluck Tee.
    Er nickte, langsam, und sie merkte ihm eine Art Resignation an.
    »Oh«, sagte sie, »das hatte ich ganz vergessen. Ihr müsst ja dafür sorgen, dass Ihr nicht mehr von Nutzen seid.«
    »In der Tat. Meine Tage als Spion sind vorbei, Freisprecherin.«
    »Es wird besser für Euch sein, Buruk.«
    »Ganz gewiss.«
    »Werdet Ihr in Trate bleiben?«
    »Oh ja. Schließlich ist es mein Zuhause. Ich habe nicht vor, Trate jemals zu verlassen.«
    Seren trank ihren Tee. Minze – und noch etwas anderes, das ihr die Zunge schwer machte. Das aufgebläht und widerlich durch ihre Gedanken trieb. »Der Tee – Ihr habt ihn vergiftet, Buruk.« Sie konnte die Worte kaum noch deutlich aussprechen.
    »Ich musste es tun, Seren Pedac. Nach letzter Nacht. Ich darf nicht zulassen, dass Ihr klar denken könnt. Nicht jetzt. Ihr werdet wieder schlafen. Einer der Hafenarbeiter wird Euch heute Nacht wecken – dafür werde ich sorgen, und auch dafür, dass Ihr sicher seid.«
    »Ist dies ein anderer … ein anderer Verrat?« Sie spürte, wie sie auf der Bank zusammensackte.
    »Mein letzter, meine Liebe. Erinnert Euch an dies, wenn Ihr könnt: Ich wollte Eure Hilfe nicht.«
    »Meine … Hilfe.«
    »Obwohl«, drang seine Stimme wie aus weiter Entfernung noch einmal an ihr Ohr, »Ihr immer mein Herz besessen habt.«
     
    Schreckliche Schmerzen hinter ihren Augen. Sie öffnete sie blinzelnd. Es war Nacht. Sie war mit einem Umhang zugedeckt, der bis zum Kinn hochgezogen war. Das sanfte Auf und Ab unter ihr und das leise Knirschen sagten ihr, dass sie noch immer an Bord der Barkasse war, die an einem steinernen Pier festgemacht war. Stöhnend setzte sie sich auf.
    Schlurfende Geräusche neben ihr, dann wurde ihr ein Krug vor das Gesicht gehalten. »Trinkt das, Schätzchen.«
    Sie kannte die Stimme nicht, stieß den Krug jedoch weg.
    »Nein, nein, das ist schon in Ordnung«, sagte der Mann beharrlich. »Es ist nur Bier. Frisches, kühles Bier. Um Eure Kopfschmerzen zu vertreiben. Er hat gesagt, dass Ihr Schmerzen haben würdet, versteht Ihr? Und mir hat Bier immer geholfen, wenn ich richtig fertig war und zu viel getrunken hatte.«
    »Ich war nicht betrunken –«
    »Egal. Ihr habt geschlafen, ja, aber es war kein natürlicher Schlaf. Es macht keinen Unterschied, versteht Ihr? Kommt schon, Schätzchen, ich muss gleich wieder los. Es ist wegen meiner Frau, versteht Ihr, sie ist unpässlich. Es ist schon nach dem dritten Glockenschlag, und ich lasse sie nicht gern so lang allein. Aber er hat mich gut bezahlt. Beim Abtrünnigen, er hat mir mehr gegeben als ein ehrlicher Mann in einem Jahr verdienen kann. Nur, damit ich hier bei Euch sitze, versteht Ihr? Damit ich dafür sorge, dass Ihr sicher seid und aufstehen und gehen könnt.«
    Sie mühte sich auf die Beine, griff nach dem Umhang, der jedoch zu Boden rutschte.
    Der Hafenarbeiter, ein gebeugter, runzliger alter Mann, setzte den Krug ab und hob den Umhang auf. »Dreht Euch um, Schätzchen. Ich habe die Schließe. Es ist kalt heute Nacht – Ihr zittert. Dreht Euch jetzt um, ja, so ist es gut.«
    »Danke.« Das Gewicht des Umhangs zerrte an ihren Nackenmuskeln und den Schultern, und die Schmerzen in ihrem Kopf wurden zu einem heftigen Pochen.
    »Ich hatte mal eine Tochter, früher. Ein Adliger hat sie mitgenommen. Schulden, versteht Ihr. Vielleicht lebt sie noch, vielleicht auch nicht. Er hat mit vielen Schätzchen rumgemacht, der Kerl. Damals, in Letheras. Wir konnten nicht dort bleiben, versteht Ihr, ich meine – danach. Sonst hätten wir sie womöglich mal irgendwo gesehen, oder es wäre eine Leiche aufgetaucht, das passiert ja manchmal. Egal. Sie war groß, genau wie Ihr, das ist alles. Hier, trinkt ein bisschen Bier.«
    Dieses Mal nahm sie den Krug und trank drei schnelle Schlucke.
    »So, nun ist es besser.«
    »Ich muss gehen. Und du auch. Zu deiner Frau.«
    »Das ist wahr, Schätzchen. Könnt Ihr gehen?«
    »Wo ist mein Packen?«
    »Er hat ihn mitgenommen, hat gesagt, Ihr könnt ihn abholen, in dem Schuppen hinter seinem Haus. Genau das hat er gesagt. Im Schuppen. Geht nicht ins Haus, hat er gesagt. Ausdrücklich –«
    Sie wandte sich der Leiter zu. »Hilf mir.«
    Raue Hände unter ihren Armen, die sich zu ihrem Rücken hinunterbewegten, als sie hochkletterte, dann

Weitere Kostenlose Bücher