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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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dulden? Ein Imperator, der seine eigenen Leute fürchtet. Ein Imperator, der unempfänglich für Kritik ist. Irgendjemand muss doch im Namen der Vernunft sprechen.«
    »Sprich nicht mehr von diesen Dingen. Nicht zu mir. Ich weise alles zurück, was du sagst. Du bist dumm, Trull Sengar. Dumm. Deine Wut ist aus Neid geboren. Nichts weiter.« Er drehte sich um und ging den schmalen Pfad wieder hinunter, so dass Trull wie zuvor allein auf der Klippe war, die sich über die Täler des Passes erhob. Es kam ihm nicht in den Sinn nachzusehen, ob Hanradi tatsächlich seinen Schatten verloren hatte.
    Er stand auf einer Klippe. Von der er hinunterblicken und den Abertausenden dabei zusehen konnte, wie sie zwischen den Bäumen herumschwärmten.
    Drei Landarmeen und vier Flotten – so war die ganze Bevölkerung der Tiste Edur eingeteilt. Das Lager hier vor ihm war drei Meilen breit und sechs Meilen lang. Trull hatte noch nie so viele Edur auf einem Haufen versammelt gesehen. Hiroth, Arapay, Sollanta, Beneda.
    Unten, am Rande von Forchts Befehlsstand, entdeckte er eine Bewegung und spürte, wie ihm beim Anblick der untersetzten, in Pelze gehüllten Gestalten kalt wurde. Unsere … Verbündeten.
    Jheck.
    Von dem Edur herbeigerufen, den sie getötet hatten. Gläubige des Schwertes.
    Die vergangene Nacht war – kaum dass die Abenddämmerung hereingebrochen war – hinter einem Albtraum aus magischen Gewalten verschwunden. Unvorstellbare Kräfte waren von den Magiern der Letherii entfesselt worden, die angesichts des Zwecks, dem sie gedient hatten, eine abstoßende Brutalität offenbart hatten. Dies würde ganz offensichtlich einen Krieg geben, in dem die Letherii kein Pardon gewährten und Eroberung mit Auslöschung gleichsetzen würden. Trull fragte sich, ob Rhulad auf die gleiche Weise reagieren würde.
    Wobei wir nun keine Häuser mehr haben, in die wir zurückkehren können. Wir sind gezwungen, den Süden zu besetzen. Lether zu besetzen. Wir können ihre Städte nicht dem Erdboden gleichmachen, oder doch? Er holte tief Luft. Er musste noch einmal mit Forcht sprechen. Doch sein Bruder hatte sich auf seine Rolle als Kommandeur dieser Armee gestürzt. Seine Voraustrupps, die einen halben Tagesmarsch vor ihnen waren, würden in Sichtweite von Hochfort kommen. Die Armee würde die Katter bei der Engen Stromschnelle überqueren, die von einer jahrhundertealten Steinbrücke überspannt wurde, und anschließend herumschwenken, um sich wieder mit ebenjenen Vorausabteilungen zu vereinigen.
    Und dann würde es eine Schlacht geben.
    Für Forcht war die Zeit, in der Fragen gestellt wurden, vorbei.
    Aber warum gelingt mir das nicht auch? Trull konnte sich nicht der Gewissheit, ja, noch nicht einmal dem Fatalismus hingeben. Sein Verstand würde nicht aufhören, immer neue quälende Gedanken hervorzubringen, neue Sorgen darüber, was sie erwartete.
    Er ging den Pfad hinunter. Unten waren die Jheck, ein Kontingent von ihnen befand sich in Forchts Befehlsstand. Es war nicht nötig, sagte er zu sich, dass er mit ihnen sprach.
    Überall ringsum waren Edur-Krieger, die ihre Rüstungen und Waffen bereitmachten. Frauen sangen Schutzzauber, um ein Netz der Unsichtbarkeit über das gesamte Lager zu legen. Gespenster huschten zwischen den Bäumen umher; die meisten von ihnen strebten südwärts, über den Pass und in die Südlande. Hier und da waren riesige, heraufbeschworene Dämonen zu sehen, die ungeschlacht und klotzig an den vielen neuen Pfaden standen, die zum Gipfel führten. Sie trugen volle Rüstungen aus grünspanfleckigen Bronzeschuppen und schwere Helme, deren gehämmerte Wangenschützer bis unter die Kinnlinie reichten und ihre Gesichter verbargen. Hellebarden, Breitschwerter, dopelklingige Äxte und Streitkolben, eine Ansammlung von Waffen für das dichte Gewühl. Einst, vor noch gar nicht so langer Zeit, waren solche Dämonen selten gewesen; das Ritual, mit dem sie heraufbeschworen worden waren – und das die Frauen vollzogen hatten –, basierte auf Schmeicheleien, falschen Versprechungen und letztendlich Täuschung. Die Kreaturen waren gebunden und nun dazu verdammt, in einem Krieg mitzukämpfen, mit dem sie eigentlich überhaupt nichts zu tun hatten, und aus dem sie nur freikamen, indem sie ausgelöscht wurden. In Forchts Armee gab es mehrere Hundert von ihnen. Es machte Trull krank.
    Kinder halfen dabei, die Zelte abzubrechen. Aus ihrer vertrauten Welt gerissen, wurden sie in gewisser Weise neu geformt. Wenn dieser Zug fehlschlug

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