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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Stadt, Schätzchen. Geht, sobald Ihr wieder nüchtern seid. Geht einfach. «
    Und dann war er weg.
    Sie haben ihn geschnappt und in ein Gässchen gezerrt, und jetzt nähen sie ihm den Mund zu – komm, lass uns zusehen - Nur den Mund? Er ist ein verdammter Verräter. Es gibt keinen Grund, nett zu dem Scheißkerl zu sein. Sie sollen ihn überall zunähen, mal sehen, wie ihm das gefällt - Ich wollte, es wäre Hull Beddict. Ja, das wollte ich - Mit dem werden sie noch viel schlimmere Dinge anstellen …
     
    Nekal Bara stand oben auf dem Leuchtturm und blickte auf das Meer hinaus; ihr blaues Seidengewand flatterte im Wind. Nichts lief so, wie geplant. Ihr Erstschlag hatte nur leere Dörfer zerstört; das ganze Volk der Tiste Edur war inzwischen auf dem Marsch. Und sie werden schon bald vor unserer Tür stehen.
    Die Flotte, die in der Katter-See aufgetaucht war, um mit ihren Streitkräften zu verhindern, dass Zwielichts Garnison sich aus Fenthing absetzte, war einfach weitergezogen, nachdem die Stadt kapituliert hatte. Jetzt näherten sich die blutroten Segel von fünfhundert Kaperschiffen übernatürlich rasch der Bucht von Trate. Und in den Wassern unter den schlanken Bootsrümpfen war … ein Ding. Uralt, schrecklich und sehr, sehr hungrig. Es kannte den Weg. Es war schon einmal hier gewesen.
    Seit damals hatte sie auf Anweisung des Ceda lange und gründlich geforscht, um etwas über die Natur der Kreatur herauszufinden, die die Tiste Edur an sich gebunden hatten. Der Hafen und die vorgelagerte Bucht waren einst trockenes Land gewesen, ein mächtiges Kalksteinschelf, unter dem unterirdische Flüsse dahingeschossen waren. Die Erosion hatte das Schelf an einigen Stellen einbrechen lassen, und so waren grob kreisförmige, tiefe Brunnen entstanden. Manchmal war das Wasser dort unten als Teil der Flüsse weitergeflossen. Doch in einigen Brunnen hatte der Kalkstein im Lauf der Zeit Verhärtungen ausgebildet und so seine Durchlässigkeit verloren, und das Wasser war schwarz und reglos geworden.
    Einer dieser Brunnen war schon vor langer Zeit zu einem Ort der Verehrung geworden. Schätze wurden in seine Tiefen geworfen. Gold, Jade, Silber und lebende Opfer. Ertrinkende hatten in dem kalten Wasser geschrien, bis sie untergegangen waren, und kaltes Fleisch und Knochen waren auf den bleichen Grund gesunken.
    Und ein Geist hatte sich geformt. Genährt mit Blut und Verzweiflung und flehenden Opfern, der unfreiwilligen Preisgabe menschlichen Lebens. Eine ganze Menge Geheimnisse umgaben die Geschichte, wie sie nur zu gut wusste. Hatte es den Geist schon gegeben, bevor die Verehrung begonnen hatte, und war er einfach nur von den Opfergaben angelockt worden? Oder verdankte er seine Existenz einzig und allein der Willenskraft der Gläubigen aus alter Zeit? Wie auch immer, das Ergebnis war das gleiche. Eine Kreatur war entstanden und hatte schnell Hunger und Begierden kennen gelernt. War abhängig geworden von Blut, Kummer und Entsetzen.
    Die Gläubigen verschwanden. Sie starben aus oder zogen fort oder waren zu so extremen Opfern getrieben worden, dass sie sich selbst auslöschten. Niemand wusste, wie hoch sich die Knochen am Grund des Brunnens stapelten, doch am Ende musste es ein erschreckend großer Haufen gewesen sein.
    Der Geist war dem Untergang geweiht und hätte schließlich sterben müssen. Hätte das Meer sich nicht erhoben, um das Land zu verschlingen, wären die Wände seiner Welt nicht plötzlich verschwunden und hätten ihn auf  all das losgelassen, was jenseits davon lag.
    Ufer waren überall auf der Welt Stätten der Verehrung. Schon die allerersten Berichte aus der Zeit des Ersten Imperiums hielten dies wieder und wieder als gemeinsames Merkmal vieler Völker fest, denen man auf Forschungsreisen begegnet war. Die Grenze zwischen Meer und Land kennzeichnete den symbolischen Übergang zwischen Bekanntem und Unbekanntem. Zwischen Leben und Tod, Geist und Verstand, zwischen einer unbegrenzten Menge von Elementen und Kräften, die gegensätzlich und doch ineinander verschlungen waren. Leben wurden dem Meer übergeben, Schätze in seine Tiefen geworfen. Und auf den Wassern selbst wurden von Zeit zu Zeit immer wieder Schiffe und ihre Besatzungen in die Tiefe gezogen.
    Aus all diesen Gründen hatte der Geist sich mit … Rivalen herumschlagen müssen. Und es war ihm dabei nicht sonderlich gut ergangen, wie Nekal Bara vermutete. Geschwächt und leidend war er zu seinem Loch unter dem Kalkstein zurückgekehrt. War

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