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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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glitzernder Fäden aus blauem Feuer, die um einen blendend weißen Kern schwärmten, schräg nach unten.
    Wie der Speer eines Gottes bohrte sich der Strahl in die Flanke des Geistes. Brannte einen Pfad aus Weißglut in das dunkle, tosende Wasser.
    Beim Abtrünnigen – er schafft es nicht! Er stirbt! Sie spürte Arahathan – und dann sah sie ihn. Rotes Fleisch löste sich kräuselnd von seinen Knochen, verfärbte sich schwarz und wurde dann wie von einem wilden, wirbelnden Wind davongerissen. Sie sah seine Zähne, die Lippen waren längst verschwunden, seine verzerrte Grimasse war in ein wahnsinniges Lächeln verwandelt. Um die Augen bildeten sich Falten, ehe die Augäpfel dunkel wurden und nach innen fielen.
    Und noch in jenem letzten Augenblick spürte sie seine Überraschung, seine Ungläubigkeit - Sie bohrte sich in das Fleisch des Geistes, hinab durch Schichten um Schichten aus dickem, geronnenem Blut, stumpfen Haaren und Knochenstücken. Überkrusteten Schmuckstücken und verbogenen Münzen. Schichten aus verblichenen Neugeborenen, die alle in Leder gewickelt waren und eingeschlagene Schädel hatten, und darunter ein schmerzverzerrtes Gesicht, das von nicht verstandenem Leid kündete. Schichten. Oh Gebieterin, was haben wir Sterbliche getan? Was haben wir getan und getan und wieder und immer wieder getan?
    Durch steinerne Werkzeuge, Perlen, Muschelstückchen - Bohrte sich durch alles hindurch - Und stellte fest, dass sie sich getäuscht hatte. Dass sie sich schrecklich getäuscht hatte.
    Der Geist – war nichts weiter als eine Hülle, die von den Erinnerungen in den Knochen, Zähnen und Haaren zusammengehalten wurde – aber nur von diesen Erinnerungen und sonst nichts.
    In seinem Innern - Nekal Bara sah, dass sie gleich sterben würde. Gegen all das, was sich erhob, um sie zu empfangen, konnte sie nichts ausrichten. Überhaupt nichts. Konnte nicht – konnte niemals – Ceda! Kuru Qan! Höre mich! Sieh -
     
    Seren Pedac stolperte auf die Straße hinaus. Wurde von fliehenden Gestalten angerempelt und herumgewirbelt, so dass sie auf die Knie fiel.
    Sie war in einem dunklen Keller aufgewacht, umgeben von leeren, zerbrochenen Fässchen. Sie war ausgeraubt worden, man hatte ihr den größten Teil ihrer Rüstung abgenommen, und ihr Schwert und ihr Messer waren fort. Die Schmerzen zwischen ihren Beinen sagten ihr, dass noch Schlimmeres geschehen war. Ihre Lippen waren geschwollen und aufgesprungen von Küssen, die sie nie gespürt hatte, ihre Haare verfilzt und blutverschmiert. Nun kroch sie über schmierige Pflastersteine zu einer fleckigen Ziegelmauer, rollte sich an ihrem Fuß zusammen und starrte benommen auf die von Panik beherrschte Szene.
    Rauch verdeckte den Himmel. Braunes, schummriges Licht, dazu Kampfgeräusche, die aus einiger Entfernung an ihr Ohr drangen – aus dem Hafen zu ihrer Linken und von der Nord – und der Ostmauer voraus und zu ihrer Rechten. Auf der Straße direkt vor ihr rannten die Bürger anscheinend ziellos hin und her. Gegenüber lieferten sich zwei Männer einen tödlichen Kampf, und sie beobachtete, wie einer der beiden es schaffte, den anderen auf den Boden zu drücken, und dann damit begann, den Kopf des Mannes gegen die Pflastersteine zu schlagen. Was als harte, dumpfe Geräusche begann, wurde schnell zu einem leisen Knirschen, und dann rollte sich der Sieger von seinem zuckenden Opfer, rappelte sich auf und hinkte davon.
    Türen wurden eingetreten. Frauen schrien auf, als ihre Verstecke entdeckt wurden. Nirgendwo waren Tiste Edur in Sicht.
    Von rechts trotteten drei Männer heran. Plünderer. Einer trug eine blutbefleckte Keule, der zweite eine kurzschäftige Sichel. Der dritte Mann zog ein totes oder bewusstloses Mädchen an einem Bein hinter sich her.
    Sie entdeckten sie. Der mit der Keule grinste. »Wir sind gekommen, um dich einzusammeln, Freisprecherin. Bist wohl aufgewacht und willst mehr, was?«
    Sie erkannte keinen einzigen von den dreien, während die Männer sie mit Blicken betrachteten, in denen eine schreckliche Vertrautheit lag.
    »Die Stadt ist gefallen«, redete der Mann weiter, während er noch etwas näher trat. »Aber wir haben einen Weg gefunden, wie wir rauskommen, und dich nehmen wir mit.«
    Der mit der Sichel lachte. »Wir haben beschlossen, dass wir dich bei uns behalten, Schätzchen. Mach dir keine Sorgen, wir werden gut auf dich aufpassen.«
    Seren kauerte sich enger an die Mauer.
    »He, ihr da drüben – lasst sie in Ruhe!«
    Eine neue Stimme. Die

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