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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Befestigungsanlagen erstürmt und es vor noch nicht einmal hundert Herzschlägen schließlich geschafft, das Nordtor zu zerstören. Die Edur lassen sich Zeit, töten jeden Soldaten, den sie finden. Sie gewähren keine Gnade. Bis jetzt haben sie den Nichtkämpfern noch nichts getan. Aber das ist keine Garantie – wofür auch immer –, stimmt’s?«
    Er half ihr aufzustehen, und sie zuckte zusammen, als seine Hände sie berührten – diese Waffen, die noch blutbefleckt vom Töten waren.
    Wenn er es mitbekommen hatte, ließ er sich nichts anmerken. »Meine Klinge wartet. Corlo hat es geschafft, in diesem verdammten, vom Vermummten heimgesuchten Drecksloch ein Gewirr zu finden – zum ersten Mal in den zwei Jahren, die wir hier jetzt schon festsitzen. Er sagt, die Edur haben es mitgebracht. Nur deswegen konnte er es finden.«
    Sie bemerkte, dass sie jetzt nebeneinander hergingen. Wobei sie gewundene Gassen benutzten und die großen Durchgangsstraßen mieden. Ringsum waren die Geräusche eines Gemetzels zu hören. Plötzlich blieb Eisenhart stehen; er legte den Kopf schief. »Verdammt, wir sind abgeschnitten.«
     
    Er war in das Gemetzel hineingezogen worden. Als nachdenklicher Zeuge, der mit anschaute, wie unglückliche, in Unordnung geratene Soldaten getötet wurden. Und sich dabei fragte, ob die Geldverleiher wohl die Nächsten sein würden. Udinaas stolperte hinter dem Imperator der Tiste Edur und zwölf rasenden Kriegern her, die durch Reihen von Menschen wateten und Leben niedermetzelten, als bahnten sie sich einen Weg durch Schilf.
    Rhulad verfügte über Fähigkeiten, die er nie zuvor besessen hatte. Seine Arme waren nur noch verschwommen wahrzunehmen, alle seine Bewegungen waren achtlos und furchtlos. Und er brabbelte pausenlos vor sich hin, ein wahnsinniges Gemurmel, nur gelegentlich unterbrochen von einem Schrei, der ebenso von Entsetzen wie von Wut kündete. Er war kein triumphierender Krieger. Weder ein Berserker noch in Ruhm gehüllt. Er war ein Schlächter, der … andere abschlachtete.
    Ein Edur-Krieger neben ihm fiel durch den verzweifelten Schwertstoß eines Letherii-Soldaten, der Imperator kreischte auf und machte einen Satz vorwärts. Das fleckige Schwert zischte durch die Luft, Blut spritzte auf wie Wasser. Sein Lachen raubte ihm den Atem und brachte ihn zum Keuchen. Die Gesichter der Edur wandten sich kurz und verstohlen ihrem wilden Herrscher zu.
    Weiter die Straße hinunter, wobei sie sich durch eine Art Nachhut schlugen. Udinaas stolperte über Leichen, sich windende, weinende Gestalten. Blind im Sterben liegend, riefen Männer nach ihren Müttern, und zu diesen Männern beugte der Sklave sich hinunter und berührte sie an der Schulter oder legte ihnen die Fingerspitzen auf die feuchte Stirn. Dabei murmelte er: »Ich bin hier, mein Junge . Du kannst jetzt gehen.«
    Er war ein reumütiger Priester, der sich kettenrasselnd Schritt um Schritt vorwärts bewegte und dabei immer wieder seinen falschen Segen, seine sanften Lügen flüsterte, der vergab, noch während er selbst um jemanden – um etwas – betete, das seinerseits ihm vergab. Aber ihn berührte niemand, und über seine Stirn strichen keine Fingerspitzen.
    Vergeltung für die niedergebrannten Dörfer. Wo waren die Geldverleiher? Dieser Krieg galt schließlich ihnen.
    Noch einmal hundert Schritt. Drei weitere Edur waren zu Boden gesunken. Rhulad und acht Brüder. Sie kämpften weiter. Wo war der Rest seiner Armee?
    Irgendwo anders.
    Könnte man immer die richtigen Fragen stellen, läge jede Antwort auf der Hand. Eine kluge Offenbarung; er war hier etwas auf der Spur …
    Ein weiterer Edur schrie auf, rutschte aus, stürzte und schlug hin, mit dem Gesicht auf die Straße.
    Rhulad tötete zwei weitere Soldaten, und dann war niemand mehr da, um sich ihnen in den Weg zu stellen.
    Auf ungewohnte Weise verblüfft, blieb der Imperator stehen, gefangen in der Mitte einer Kreuzung. Rauchschwaden trieben an ihm vorbei.
    Plötzlich tauchte von rechts jemand auf.
    Zwei Edur torkelten rückwärts, tödlich verwundet.
    Der Angreifer streckte die linke Hand aus, und der Kopf eines dritten Edur wurde mit einem lauten Knacken herumgerissen.
    Schwertgeklirr, mehr Blut, ein weiterer Edur fiel, und dann war der Angreifer durch und wirbelte herum.
    Rhulad machte einen Satz auf ihn zu. Schwerter – das eine schwer und fleckig, das andere einfach und schlicht – klirrten gegeneinander und verhakten sich durch eine Drehung und Beugung des Handgelenks des

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