SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
immer Mauern, und tatsächlich waren die Wälle oft alles, was von den ältesten Städten übrig blieb.
Und das war auch der Grund, hatte Leoman weiter ausgeführt, warum Städte immer auf den Gebeinen ihrer Vorfahren erbaut wurden, denn dies ließ ihre Mauern noch höher wachsen, machte aus ihnen einen noch besser geschützten Ort. Eigentlich, hatte er lachend gesagt, waren somit die marodierenden Stämme schuld an der Entstehung der Städte – genau der Städte, die in der Lage waren, ihnen zu trotzen und sie letztendlich zu besiegen. So also erhob sich die Zivilisation aus der Barbarei.
Alles gut und schön, dachte Corabb, während er auf das Herz der Stadt zuschritt, und möglicherweise stimmte es sogar, aber dennoch sehnte er sich bereits nach der offenen Landschaft der Odhans, dem sanft flüsternden Wind der Wüste, der mörderischen Hitze, die einem Mann das Hirn im Innern seines Helms kochen konnte, bis er anfing zu fantasieren und davon zu träumen, von einer Horde fetter Tanten und ledriger Großmütter verfolgt zu werden, die sich einen Spaß daraus machten, ihn in die Wange zu kneifen.
Corabb schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen loszuwerden – und das Entsetzen, das sie begleitete. Er ging zur Linken Leomans, den Säbel blankgezogen und mit finsterer, streitlustiger Miene, die er jedem verdächtig aussehenden Bürger zuwandte. Brunspatz, die Dritte, ging rechts von Leoman. Die Arme der beiden streiften einander dann und wann, und sie wechselten immer mal wieder ein paar Worte, die vermutlich voller grimmiger Romantik waren und bei denen Corabb froh war, dass er sie nicht hören konnte. Entweder das, oder sie sprachen darüber, wie sie ihn loswerden konnten.
»Oponn, ziehe mich und stoße sie«, murmelte er leise vor sich hin.
Leoman wandte den Kopf. »Hast du etwas gesagt, Corabb?«
»Ich habe diesen verdammten Rattenpfad verflucht, Rächer.«
»Wir sind fast da«, sagte Leoman. Er war auf untypische Weise rücksichtsvoll, was Corabbs ohnehin schlechte Stimmung noch mehr verschlimmerte. »Brunspatz und ich haben darüber gesprochen, was wir mit den Priestern machen.«
»Habt ihr das? Das ist schön. Was meinst du damit – ›was wir mit den Priestern machen‹?«
»Sie weigern sich, die Stadt zu verlassen.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Mich auch nicht, aber sie sollten trotzdem verschwinden.«
»Es geht ihnen um ihren Reichtum«, sagte Corabb. »Und um ihre Reliquienschreine und Heiligenbilder und Weinkeller – sie befürchten, dass sie auf die Straße gesetzt, vergewaltigt und ausgeraubt werden, und dass man ihnen die Haarknoten lösen könnte.«
Sowohl Leoman wie Brunspatz sahen ihn an. Sie machten merkwürdige Gesichter.
»Corabb«, sagte Leoman, »ich glaube, es ist am besten, wenn du deinen neuen großen Helm abnimmst.«
»Ja«, fügte Brunspatz hinzu. »Dir läuft schon der Schweiß übers Gesicht.«
»Mir geht es gut«, sagte Corabb brummig. »Dies hier war der Helm des Kämpen. Aber Leoman wollte ihn nicht nehmen. Er hätte es tun sollen. In Wirklichkeit trage ich ihn nur für ihn. Zum geeigneten Zeitpunkt wird er die Notwendigkeit entdecken, ihn mir vom Kopf zu reißen und selbst aufzusetzen, und die Welt wird wieder in Ordnung kommen, mögen alle gelben und blauen Götter gepriesen sein.«
»Corabb –«
»Mir geht es gut, obwohl wir vielleicht etwas gegen all die alten Frauen tun sollten, die uns folgen. Ich werde mich eher in mein Schwert stürzen als zulassen, dass sie mich kriegen. Oh, was für ein niedlicher kleiner Junge! Genug davon, sage ich.«
»Gib mir den Helm«, sagte Leoman.
»Es wird aber auch Zeit, dass du deine Bestimmung erkennst, Schlächter der Mandata.«
Zu dem Zeitpunkt, da sie den Tempel von Scalissara erreichten, pochte Corabbs Schädel heftig. Leoman hatte beschlossen, den großen Helm nicht zu tragen, selbst als die nassgeschwitzte Polsterung entfernt worden war – ohne die er allerdings sowieso zu locker gesessen hätte. Zumindest waren die alten Frauen fort; genau betrachtet war der Weg, den sie genommen hatten, beinahe vollkommen verlassen, obwohl sie den chaotischen Lärm der zahllosen Menschen, die aus der Stadt getrieben wurden, von den Hauptdurchgangsstraßen her hören konnten – derjenigen Menschen, die zur Weststraße gebracht wurden, die nach Lothai an der Küste führte. Immer wieder flackerte Panik in der schwitzenden, strömenden Menschenmenge auf, doch es war klar, dass die meisten der viertausend Soldaten, die
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