SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
mattschwarze Stein wirkte erstaunlich lebensecht, so überzeugend war die Darstellung von Fell und Muskeln. Am Fuß der Statue stand eine Art Bauwerk.
Die Kutsche kam an, und Paran hörte, wie sich die Seitentür öffnete. Anteilseigner sprangen herunter und schwärmten aus, nahmen Verteidigungspositionen ein.
Paran saß ab und ging auf das Bauwerk zu. Plötzlich war Igel an seiner Seite.
»Irgendjemand hat hier ein verdammtes Haus gebaut«, sagte der Sappeur.
»Sieht nicht bewohnt aus.«
»Zumindest jetzt nicht, stimmt.«
Das Gebäude bestand vollkommen aus Treibholz und war ungefähr rechteckig, wobei die langen Seiten parallel zum Podest der Statue verliefen. Es waren keine Fenster zu sehen, und – zumindest auf dieser Seite – auch kein Eingang. Paran musterte es einige Zeit und ging dann auf das eine Ende zu. »Ich glaube nicht, dass das Ding als Haus gedacht war«, sagte er. »Eher als Tempel.«
»Ihr könntet recht haben – das Treibholz passt nicht besonders gut aufeinander, und trotzdem haben sie nichts in die Lücken gestopft. Wenn ein Steinmetz sich das ansehen würde, würde er sagen, dass es für den gelegentlichen Gebrauch gedacht war, was mehr nach einem Tempel oder einem Gehege klingt.«
Sie erreichten das eine Ende und sahen einen halbmondförmigen Eingang. Zweige waren davor in Reihen auf den lehmigen Boden gelegt worden, so dass eine Art Gehweg geschaffen worden war. Schlammige Füße waren auf ihm entlanggetrottet, zahllose schlammige Füße, aber keiner davon in jüngster Zeit.
»Sie haben lederne Mokassins getragen«, bemerkte Igel, der sich hingehockt hatte, um sich den nächsten Fußabdruck genauer anzusehen. »Die Nähte waren oben, außer hinten an der Ferse, da ist ein Kreuzstichmuster. Wenn das hier Genabackis wäre, würde ich sagen Rhivi – allerdings gibt’s da noch einen Unterschied.«
»Was für einen?«, fragte Paran.
»Nun, diese Burschen haben breite Füße. Richtig breite Füße.«
Der Geist wandte den Kopf, schaute zum Eingang des Gebäudes. »Hauptmann, da drin ist jemand gestorben.«
Paran nickte. »Ich kann es riechen.«
Sie blickten sich um, als Ganath und Karpolan Demesand – Letzterer von den beiden Anteilseignerinnen aus dem Stamm der Pardu begleitet – näher traten. Der Magier der Trygalle-Handelsgilde verzog das Gesicht, als der üble Gestank verwesenden Fleischs in seine Nase drang. Er starrte finster in den offenen Eingang. »Das rituelle Vergießen von Blut«, sagte er und spuckte aus, was alles andere als typisch für ihn war. »Diese Deragoth haben Anbeter gefunden. Wird sich diese Tatsache als problematisch erweisen, Herr der Drachenkarten?«
»Nur, wenn sie auftauchen«, sagte Paran. »Danach – nun, es könnte sein, dass sie ihren Glauben neu überdenken müssen. Das könnte sich als tragisch für sie erweisen …«
»Seid Ihr dabei, alles noch einmal neu zu überdenken?«, fragte Karpolan.
»Ich wünschte, ich könnte mir diesen Luxus erlauben. Ganath, willst du mit mir zusammen das Innere dieses Tempels erforschen?«
Ihre Brauen hoben sich ein winziges Stück, dann nickte sie. »Natürlich. Ich bemerke, dass da drinnen Dunkelheit herrscht – brauchst du Licht?«
»Das würde nicht schaden.«
Sie ließen die anderen hinter sich zurück und gingen nebeneinander auf den Eingang zu. Ganath wandte sich leise an Paran. »Du vermutest das Gleiche wie ich, Ganoes Paran.«
»Ja.«
»Karpolan Demesand ist kein Narr. Er wird es bald bemerken.«
»Ja.«
»Dann sollten wir uns beim Erforschen kurz fassen.«
»Einverstanden.«
Als sie den Eingang erreichten, machte Ganath eine Handbewegung, und ein gedämpftes bläuliches Licht entstand langsam im angrenzenden Raum.
Sie traten hinein.
Ein einziger Raum, keine Innenwände. Der Boden bestand aus Lehm, von unzähligen Füßen festgestampft. In der Mitte stand ein zerschmetterter, umgedrehter Baumstumpf, dessen Wurzeln beinahe waagrecht abgingen, als wäre der Baum auf einer dünnen Bodenschicht über Grundgestein gewachsen hätte und seine Fühler nach allen Seiten ausgestreckt. Im Zentrum dieses behelfsmäßigen Altars war der Kern des Stamms ausgehöhlt worden, so dass eine Art Becken entstanden war, das nun mit einer Pfütze aus schwarzem, getrockneten Blut gefüllt war. Zwei Leichen waren mit gespreizten Armen und Beinen an die nach außen strebenden Wurzeln gebunden worden, beides Frauen; einst waren sie von der Verwesung aufgebläht gewesen, jetzt jedoch zu einer gelatinösen Masse
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