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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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du wurde ich das Opfer von Verrat. Du und ich, wir sind zerfetzt und verzerrt, damit wir uns daran erinnern – wieder und wieder –, dass man jemandem, der keine Narben trägt, nicht vertrauen darf. Niemals. Es ist eine Tatsache, dass nur ein Sterblicher, der zerbrochen wurde, auf der anderen Seite herauskommen kann. Heil herauskommen kann. Vollständig und strahlend hell für alle seine vor ihm aufgereihten Opfer, ja? Im sengenden, weißglühenden Feuer seiner Rechtschaffenheit. Oh, ich verspreche dir, dieser Augenblick wird süß sein.«
    »Eine Erscheinung«, keuchte Tene Baralta. »Wer hat dich geschickt? Die Mandata, ja? Ein dämonischer Attentäter, der das alles beenden – «
    »Natürlich nicht – und schon während du diese Anschuldigungen von dir gibst, Tene Baralta, weißt du, dass sie falsch sind. Sie könnte dich jederzeit töten.«
    »Meine Soldaten beschützen mich!«
    »Sie wird dich nicht töten«, sagte die Stimme. »Sie hat keinen Grund dazu. Sie hat dich bereits beiseitegeworfen, ein nutzloses, armseliges Opfer von Y’Ghatan. Ihr ist nicht klar, Tene Baralta, dass dein Geist weiterlebt, so wachsam, wie er immer war, mit geschärftem Urteilsvermögen und begierig darauf, übles Blut zu vergießen. Sie ist selbstgefällig.«
    »Wer bist du?«
    »Ich heiße Gethol. Ich bin der Herold des Hohen Hauses der Ketten. Und ich bin deinetwegen hier. Nur deinetwegen, denn wir haben gespürt, oh ja, wir haben gespürt, dass dir Größe beschieden ist.«
    Oh, was für gewaltige Gefühle bei seinen Worten aufsteigen … Nein, halte sie zurück. Sei stark! Zeig diesem Gethol deine Stärke. »Größe«, sagte er. »Ja, dessen war ich mir immer bewusst, Herold.«
    »Und die Zeit ist gekommen, Tene Baralta.«
    »Ja?«
    »Spürst du unser Geschenk in deinem Innern? Es vermindert deine Schmerzen, ja?«
    »Ich spüre es.«
    »Gut. Das Geschenk gehört dir, und es wird noch mehr geben.«
    »Mehr?«
    »Dein eines Auge, Tene Baralta, verdient mehr als eine trübe, unsichere Welt, meinst du nicht auch? Dein Blick muss so scharf sein, dass er der Schärfe deines Geistes entspricht. Das scheint vernünftig, ja, sogar gerecht.«
    »Ja.«
    »Das wird deine Belohnung sein, Tene Baralta.«
    »Wenn ich was tue?«
    »Später. Solche Einzelheiten sind heute Nacht unwichtig. Folge deinem Gewissen, Tene Baralta, bis wir uns erneut sprechen. Mach deine Pläne für das, was kommen wird. Ihr kehrt ins malazanische Imperium zurück, ja? Das ist gut. Du solltest wissen, dass die Imperatrix dich erwartet. Dich, Tene Baralta, mehr als sonst irgendjemanden in dieser Armee. Sei für sie bereit.«
    »Oh, das werde ich, Gethol.«
    »Ich muss dich jetzt verlassen, sonst wird dieser Besuch womöglich noch entdeckt – in dieser Armee verstecken sich viele Mächte. Sei vorsichtig. Vertraue niemandem!«
    »Ich vertraue meinen Roten Klingen.«
    »Wenn du kannst, ja, denn du wirst sie brauchen. Lebwohl, Tene Baralta.«
    Und dann herrschte wieder Stille. Und die Düsternis, unverändert und unveränderlich, innerlich und äußerlich. Mir ist Größe bestimmt, ja. Sie werden es sehen. Wenn ich mit der Imperatrix spreche. Sie werden es alle sehen.
     
    Lostara Yil lag auf dem Rücken, starrte die Unterseite der nächsten Koje an, die kaum eine Handbreit entfernt über ihr war – verknotete Seile und dunkle Knäuel Bettzeug –, und versuchte, langsam und gleichmäßig zu atmen. Sie konnte ihr eigenes Herz schlagen und das Blut in ihren Ohren rauschen hören.
    Der Soldat in der Koje unter ihr grunzte und sagte dann leise: »Jetzt spricht er schon mit sich selbst. Das ist nicht gut.«
    Die Stimme aus Tene Baraltas Kabine war in den letzten fünfzig Herzschlägen als Gemurmel durch die Wand gedrungen, war aber nun, wie es schien, verstummt.
    Er hat mit sich selbst gesprochen? Wohl kaum. Das war eine verdammte Unterhaltung. Bei diesem Gedanken schloss sie die Augen und wünschte sich, sie hätte geschlafen und nicht an den immer schäbiger werdenden Albtraum gedacht, der die Welt ihres Kommandanten war: das boshafte Licht in seinem Auge, wenn sie ihn ansah, die Muskeln seines Körpers, die in Fett versanken, das verzerrte Gesicht, das zu erschlaffen begann und dort, wo es keine straffen Narben gab, schwammig wurde. Bleiche Haut, von altem Schweiß verklebte, strähnige Haare.
    Was weggebrannt wurde, war das, was seine Seele zuvor gehärtet hat. Jetzt ist da nur noch Bosheit, eine fleckige Ansammlung von Makeln, miteinander verschmolzene

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