SdG 11 - Die Kochenjäger
gar keine andere Wahl hatte. Unter dem Türrahmen warf er noch einmal einen Blick zurück auf die Karten. Der Lord der Wölfe, der Spinner des Todes, die Königinnen des Dunkels und des Lebens, und der König in Ketten. Der Lord der Wölfe … das müssen die Verender sein.
Bei den Göttern hienieden, ich glaube, es hat schon angefangen.
Auf der dem Hafen zugewandten Mauer von Mocks Feste stand Perl auf der Brustwehr und betrachtete die dunklen Umrisse der Imperialen Flotte, die langsam in das ruhige Wasser der Bucht glitt: riesige Transportschiffe, die wie übergroße Bhederin wirkten, und an den Flanken eine Eskorte aus Dromonen, so schlank wie Wölfe. Bei dem Versuch, die fremden Schiffe inmitten der anderen auszumachen, kniff die Klaue die Augen zusammen. Gewaltig, mit doppelten Rümpfen … furchterregend. Es schienen eine ganze Menge zu sein.
Wie waren sie so schnell hierher gekommen? Und woher hatte die Imperatrix gewusst, dass dies geschehen würde? Die einzige mögliche Antwort auf die erste Frage lautete: mittels eines Gewirrs. Doch wer im Gefolge der Mandata konnte ein Tor von solcher Macht und Breite erschaffen? Der Schnelle Ben? Das hielt Perl für unwahrscheinlich. Der Scheißkerl hütete seine Geheimnisse, und es machte ihm Spaß, sowohl den Schwächling als auch etwas deutlich Tödlicheres zu spielen, aber keiner dieser Täuschungsversuche beeindruckte Perl sonderlich. Nein, Tavores Hohemagier hatte nicht, was notwendig war, um solch einen gewaltigen Riss zu öffnen.
Das heißt, es waren diese verdammten Fremden. Und das war nun in der Tat höchst beunruhigend. Vielleicht wäre es ja das Beste, auf irgendeine Art heimlich und als Erste zuzuschlagen. Was nun, da die Imperatrix angekommen war, endlich möglich sein würde. Und angeraten – denn wir haben keine Ahnung, wer da in unsere Mitte gekommen ist, genau ins Herz des Imperiums. Eine fremde Flotte, die praktisch unbehindert hier ankommt … und in ihrer Reichweite befindet sich die Imperatrix persönlich.
Es würde eine sehr geschäftige Nacht werden.
»Perl.«
Die Stimme war leise, aber er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer gesprochen hatte. Er wusste außerdem, dass Imperatrix Laseen missbilligend die Stirn runzeln würde, sollte er sich umdrehen, um sie anzusehen. In dieser Hinsicht hatte sie merkwürdige Angewohnheiten. Nein, einfach nur Paranoia. »Guten Abend, Imperatrix.«
»Gefällt dir die Aussicht?«
Perl verzog das Gesicht. »Sie ist angekommen. Alles in allem zum richtigen Zeitpunkt für alle Betroffenen.«
»Freust du dich darauf, sie wiederzusehen?«
»Ich bin einige Zeit in ihrer Gesellschaft gereist, Imperatrix.«
»Und?«
»Und, um Eure Frage zu beantworten: Es ist mir gleichgültig.«
»Meine Mandata erweckt bei dir kein Gefühl von Loyalität?«
»Nein, Imperatrix. Und auch bei den Soldaten der Vierzehnten Armee nicht, wie ich glaube.«
»Aber, Perl – hat sie sie im Stich gelassen? Auch nur ein einziges Mal?«
»Y’Ghatan – «
Die körperlos wirkende Stimme unterbrach ihn. »Sei kein Narr. Wir sind hier unter uns, Perl. Nur wir beide. Vollkommen ungestört. Was in Y’Ghatan geschehen ist, konnte niemand vorhersehen – wirklich niemand. In Anbetracht dieser Tatsache war das, was Mandata Tavore getan hat, angemessen und … ja, sogar lobenswert.«
»Also gut«, sagte Perl, während Erinnerungen an die Nacht der Flammen in ihm aufstiegen – an die von fern zu ihm dringenden Schreie, die er in seinem Zelt hatte hören können … Als ich mich – wütend und verletzt, wie ich war – versteckt habe wie ein Kind. »Lässt man die Tatsachen einmal beiseite, hängt es davon ab, wie man wahrgenommen wird, Imperatrix.«
»Ganz gewiss.«
»Was auch geschieht – und unabhängig davon, ob es sich als günstig erweist oder zufällig geschehen ist-, Mandata Tavore kommt so gut wie nie davon, ohne Schaden zu nehmen. Und nein, ich verstehe auch nicht so recht, warum das so ist.«
»Coltaines Vermächtnis.«
Perl nickte in der Dunkelheit. Doch dann runzelte er die Stirn. Oh Imperatrix, jetzt verstehe ich … »Und so wird der tote Held … entmannt. Sein Name wird zu einem Fluch. Seine Taten zu einer Lüge.« Nein, verdammt, ich war nahe genug dran, um es besser zu wissen. Nein. »Imperatrix, es wird nicht klappen.«
»Wird es das nicht?«
»Nein. Stattdessen wird es uns alle beflecken. Treue und Loyalität werden verschwinden. Alles, was uns mit Stolz erfüllt, wird beschmutzt werden. Das
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