SdG 11 - Die Kochenjäger
der Welt da draußen ausmachen konnte. So weit … war er gekommen … rein instinktiv, indem er einer Karte gefolgt war, die er in seinem Kopf hatte – eine Karte, die der Schmerz längst zerfetzt hatte.
Er war nahe. Er konnte es spüren.
Kalam Mekhar streckte einen Arm aus, um sich an einer Wand abzustützen – doch da war keine Wand, und er stürzte, schlug hart auf die Pflastersteine, wo er sich – ohne dass er etwas dagegen hätte tun können – um die rasende Agonie in seinem Innern zusammenkrümmte.
Verirrt. Da hätte eine Mauer sein müssen, eine Ecke, genau da. Seine Karte hatte ihn im Stich gelassen. Und jetzt war es zu spät. Er konnte spüren, wie seine Beine abstarben. Seine Arme. Sein Rückgrat war ein Speer aus flüssigem Feuer.
Er spürte den harten, feuchten Pflasterstein unter den Fingerknöcheln einer Hand.
Nun, sterben war sterben. Die Kunst des Assassinen richtete sich irgendwann immer gegen denjenigen, der sie ausübte. Nichts auf der Welt konnte gerechter sein … passender …
Zehn Schritt entfernt fletschte Schattenthron die Zähne. »Steh auf, du Narr. Du bist fast da. Steh auf!«
Aber der Körper auf dem Boden bewegte sich nicht.
Der Gott zischte wütend und glitt vorwärts. Auf sein Zeichen hin huschten die drei Schattengespenster in seinem Schlepptau an ihm vorbei und versammelten sich um den reglos daliegenden Kalam Mekhar.
»Er ist tot«, krächzte eines der Gespenster.
Schattenthron knurrte ärgerlich, stieß seine Diener beiseite und kauerte sich hin. »Noch nicht ganz«, sagte er nach einem kurzen Augenblick. »Aber er ist verdammt nah dran.« Er trat einen Schritt zurück. »Hebt ihn auf, ihr verdammten Idioten! Wir werden ihn schleppen!«
»Wir?«, fragte eines der Gespenster.
»Vorsichtig«, murmelte der Gott. Dann schaute er zu, wie die Gespenster den Assassinen an Armen und Beinen packten und ihn hochhoben. »Gut. Und jetzt folgt mir. Beeilt euch.«
Zum Tor, das sich quietschend öffnete, als Schattenthron dagegendrückte.
Auf den unebenen Pfad mit seinen schiefen Pflastersteinen und den Büscheln aus verdorrtem Gras.
Links und rechts des Pfades ragten Hügel aus Erde auf, die zu dampfen begannen. War die Morgendämmerung schon nah? Kaum. Nein, diejenigen, die sich in den Erdhügeln befanden … spürten ihn. Der Gott gestattete sich ein kleines, trockenes Lachen. Und duckte sich, als es lauter durch die Luft hallte, als er es beabsichtigt hatte.
Sie näherten sich der Vordertür.
Schattenthron blieb stehen, trat dann so weit er konnte an den Rand des Pfades und winkte die Gespenster vorwärts. »Schnell! Legt ihn da hin – auf die Schwelle! Oh, und hier … Du da, nimm seine Langmesser. Steck sie wieder in die Scheiden, ja. Und jetzt verschwindet von hier – alle! Und bleibt auf dem Pfad, ihr hirnlosen Würmer! Wen wollt ihr aufwecken?«
Er machte einen Schritt auf die dunkle, von Tautropfen übersäte Tür zu. Hob den Gehstock. Klopfte ein einziges Mal mit dem silbernen Knauf.
Dann drehte der Gott sich um und eilte den Pfad entlang.
Gerade, als er das Tor erreichte, öffnete sich knarrend die Tür, und er wirbelte herum.
Eine große Gestalt, die eine Rüstung trug, füllte den ganzen Türrahmen aus. Sie schaute nach unten.
»Nimm ihn hoch, du Ochse! Nimm ihn hoch!«, flüsterte Schattenthron.
Aufreizend langsam streckte der gewaltige Wächter des Totenhauses die Arme aus, packte den Assassinen im Genick und zog ihn über die Schwelle.
Der Gott, der noch immer am Tor kauerte, sah zu, wie Kalams Füße im Zwielicht verschwanden.
Dann wurde die Tür wieder zugeschlagen.
War das noch rechtzeitig? »Das kann man unmöglich sagen. Zumindest jetzt noch nicht … Gute Güte, Schattenthrons Sammlung ist wirklich beeindruckend, was?« Er drehte sich um und sah gerade noch, wie die Schattengespenster die Straße entlangflohen, als sich die Tür einer nahe gelegenen Schenke dröhnend öffnete.
Der Gott zuckte zusammen, duckte sich noch mehr. »Äh … oh … Ich glaube, es ist an der Zeit zu verschwinden.«
Schatten wirbelten.
Und dann war Schattenthron verschwunden.
Hauptsergeant Tapferer Zahn näherte sich dem Eingang von Schaffs Schenke. Die Morgendämmerung war noch nicht angebrochen. Und die verdammte Nacht war jetzt so still wie ein Grab. Er erschauerte, als hätte er gerade den Weg eines alten Geistes gekreuzt, der unsichtbar vorbeigezogen und dabei stehen geblieben war, um ihm einen hungrigen Blick zuzuwerfen.
Die Tür zu Schaffs Schenke
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