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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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seines Dorfes angesteckt. Die Knoten hatten geeitert, hatten die Luft vergiftet, und alle anderen waren gestorben. Er war an diesem Morgen zu den Toren der Stadt gekommen, begleitet von zwölf halbwilden Hunden. Ein Überträger, aber hier, an diesem Ort, war das kein Grund, ihn zu verbannen. Nein, ganz im Gegenteil. Kulat würde den Jungen unter seine Fittiche nehmen, würde ihn die Wege der Pilgerschaft lehren, denn dies würde seine neue Berufung sein, die Pest in die Welt hinauszutragen und auf diese Weise unter den Überlebenden in seinem Kielwasser mehr Anhänger der neuen Religion zu sammeln. Der Glaube an die Gebrochenen, die Vernarbten, die Entmannten – alle Arten von Sekten bildeten sich, und die Mitgliedschaft wurde durch den Schaden bestimmt, den die Pest bei den Überlebenden angerichtet hatte. Die Überträger waren nur die Seltensten und Kostbarsten von allen.
    Alles, was Kulat vorhergesagt hatte, trat ein. Überlebende kamen, zuerst nur langsam tröpfelnd, dann zu Hunderten, gelenkt von der Hand eines Gottes. Sie begannen die lange begrabene Stadt freizulegen, schufen sich ihr Zuhause inmitten der Geister der seit langem toten Einwohner, die immer noch die Räume, Korridore und Straßen heimsuchten, stumm und reglos – Geister, die eine Wiedergeburt miterlebten, auf ihren undeutlichen, verschwommenen Gesichtern ein Durcheinander von Gefühlen, die von Abscheu bis zu Entsetzen reichten. Darüber, wie die Lebenden den Toten Angst und Schrecken einjagen konnten.
    Hirten trafen mit großen Herden ein, Schafe und Ziegen und das langbeinige Vieh, das Eraga genannt wurde und von dem die meisten glaubten, es sei seit tausend Jahren ausgestorben – Kulat sagte, in den Hügeln seien wilde Herden gefunden worden – und jetzt nahmen die Hunde wieder die Tätigkeit auf, zu der sie in erster Linie gezüchtet worden waren und verteidigten die Tiere gegen Wölfe und die grauen Adler, die in ihren Krallen ein neugeborenes Kalb wegschleppen konnten.
    Künstler waren eingetroffen und hatten angefangen, Bilder zu malen, die aus ihrer Krankheit, ihrem Fieber geboren worden waren: der Gott in Ketten, die Vielzahl der Gebrochenen und Vernarbten und Entmannten. Bilder, die mit der alten Mischung aus Eragablut und rotem Ocker auf Töpferwaren, auf Wände gemalt wurden. Steinerne Statuen für die Überträger. Stoffe, in die große Wollknoten eingewoben wurden, um die Knötchen darzustellen, Szenen aus fiebrigen Farbmustern, die Bilder von Felisin selbst umgaben, die Wiedergeborene Sha’ik, die Überbringerin der wahren Apokalypse.
    Sie wusste nicht, was sie von alledem halten sollte. Sie war wieder und wieder verwirrt über all das, was sie sah, über jede Geste der Verehrung und Bewunderung. Der schreckliche Anblick körperlicher Verunstaltungen drang von allen Seiten auf sie ein, bis sie sich wie betäubt fühlte, wie von Drogen gefühllos gemacht. Das Leiden war zu einer eigenen Sprache geworden, das Leben selbst nichts als Strafe und Einkerkerung. Und dies ist meine Herde.
    Ihre Anhänger hatten ihr bisher alle ihre Wünsche erfüllt – bis auf einen, und das war ein wachsendes sexuelles Bedürfnis, das die Veränderungen widerspiegelte, die in ihrem Körper vorgingen, der Übergang zu weiblichen Formen, das Fließen des Blutes zwischen ihren Beinen, und der neue Hunger, der ihre Träume nährte. Sie konnte sich nicht danach sehnen, dass ein Sklave sie berührte, denn Sklaverei war etwas, dem sich diese Menschen bereitwillig hingaben, hier und jetzt, an diesem Ort, den sie Hanar Ara nannten, die Stadt der Gefallenen.
    Kulat, der noch immer an seinen Kieselsteinen herumlutschte, sagte: »Und das ist das Problem, Hoheit.«
    Sie blinzelte. Sie hatte nicht zugehört. »Was? Was ist das Problem?«
    »Dieser Überträger, der erst heute Morgen über den Südwest-Pfad hier angekommen ist. Mit seinen Hunden, die nur auf ihn hören.«
    Sie betrachtete Kulat, den alten Dreckskerl, der zugab, vom Wein sexuell aufgeladene Träume zu bekommen, als wenn die Aussage an sich ihm schon mehr Vergnügen bereitet als er ertragen konnte, als ob das Geständnis allein ihn schon betrunken machte. »Erkläre es mir.«
    Kulat saugte an den Steinen in seinem Mund, schluckte Spucke hinunter und gestikulierte dann. »Schau dir die Keime an, Hoheit, die Keime der Krankheit, die Vielen Münder der Blauzunge. Sie schrumpfen. Sie sind ausgetrocknet und verblassen. Er hat es selbst gesagt. Sie sind kleiner geworden. Er ist ein Überträger, der

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