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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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fand die Schulter und das Genick eines Hundes. Die feuchte Nase des Tiers glitt über seinen Oberarm. Er kam zu dem Schluss, dass dies einer der kräftigeren Hunde sein musste, denn er spürte eine dicke Fettschicht über dem Schultermuskel, und dann, als er die Hand nach unten bewegte, die volle Rundung des Bauchs. Er hörte jetzt andere Hunde, die zusammenströmten, sich dicht herandrängten, sich voller Vergnügen unter der Berührung seiner Hand wanden. Sie waren alle fett. Hatte es ein Fest gegeben? War eine Herde geschlachtet worden?
    Seine Sehfähigkeit kehrte zurück, und das mit einer Klarheit, die er nie zuvor erlebt hatte. Er hob den Kopf und blickte sich um.
    Der Chor der Stimmen stammte von Vögeln. Krähen, Tauben, Geier, die die staubige Straße entlanghüpften und kreischten, wenn die Dorfhunde so taten, als wollten sie sich auf sie stürzen, die hier und da besitzergreifend über die Überreste von Körpern wachten, meistens kaum mehr als Knochen und von der Sonne geschwärzte Sehnen, Schädel, die von Hundekiefern aufgebrochen und innen sauber ausgeleckt worden waren.
    Der Junge stand auf, taumelte unter einer plötzlichen Benommenheit, die längere Zeit nicht weichen wollte. Schließlich war er in der Lage sich umzudrehen und zum Haus seiner Familie zurückzublicken, und er versuchte sich zu erinnern, was er gesehen hatte, als er durch die Zimmer gekrochen war. Nichts. Niemanden.
    Die Hunde umkreisten ihn, alle anscheinend verzweifelt bemüht, ihn zu ihrem Herrn zu machen – sie liefen schwanzwedelnd vor und zurück, stellten bei jeder Geste von ihm die Ohren auf und drückten ihm ihre Nasen in die Hand. Sie waren fett, wurde dem Jungen klar, weil sie alle gefressen hatten.
    Denn sie waren gestorben. Seine Mutter, sein Vater, seine Schwestern, alle im Dorf. Die Hunde, die allen und niemandem gehörten und ein Leben voller Entbehrungen gelebt hatten, das aus scheußlichem Hunger und Rivalitäten bestand, hatten sich vollgefressen, bis sie schier platzten. Ihre Freude kam von vollen Bäuchen, alle Rivalitäten waren vergessen. Der Junge sah hierin etwas Bedeutsames. Nachdem er die Selbsttäuschungen eines Kindes abgestreift hatte, enthüllten sich ihm die Wahrheiten der Welt.
    Er begann umherzuwandern.
    Einige Zeit später fand er sich umgeben von seinen frisch adoptierten Lieblingen an der Kreuzung gleich hinter dem nördlichsten Gehöft. Ein Steinhaufen war mitten auf der Kreuzung errichtet worden.
    Sein Hunger war verschwunden. Als er an sich hinunterschaute, sah er, wie dünn er geworden war, und er sah auch die merkwürdigen, purpurfarbenen Knötchen, die seine Gelenke – Handgelenke, Ellbogen, Knie und Knöchel – verdickten und die kein bisschen weh taten. Quellen, wie es schien, für eine andere Stärke.
    Die Botschaft des Steinhaufens war ihm klar, denn er war von einem Schäfer errichtet worden, und er selbst hatte sich in seiner Zeit um genügend Herden gekümmert. Der Steinhaufen sagte ihm, dass er nach Norden, in die Hügel gehen sollte. Er sagte ihm, dass ihn dort eine sichere Zuflucht erwartete. Dann hatte es also Überlebende gegeben. Dass sie ihn zurückgelassen hatten, war verständlich – gegen das Blauzungenfieber konnte man nichts tun. Eine Seele lebte oder starb aus eigener Entschlossenheit oder dem Mangel an derselben.
    Der Junge sah, dass es auf den Hügelflanken keine Herden mehr gab. Vielleicht waren Wölfe heruntergekommen, hatten die günstige Gelegenheit genutzt; oder die anderen Dorfbewohner hatten die Tiere mitgenommen. Schließlich brauchte man in einer Zufluchtsstätte auch etwas zu essen und Wasser, Milch und Käse.
    Er setzte sich auf dem Nordpfad in Bewegung, und die Hunde begleiteten ihn.
    Er sah, dass sie glücklich waren. Dass sie sich freuten, dass er sie führte.
    Und die Sonne über ihm, die so blendend hell gewesen war, blendete nicht mehr. Der Junge war an eine Schwelle gelangt und hatte sie überschritten – in die vierte und letzte Zeit. Er wusste nicht, wann sie enden würde.
    Felisin die Jüngere starrte den mageren Jungen, der von den Entmannten Akolythen hereingebracht worden war, gelangweilt an. Nur ein weiterer verlorener Überlebender, der mit der Bitte um Erklärung und Führung zu ihr hinblickte, der irgendetwas haben wollte, an das er glauben konnte und das nicht von bösen Winden heruntergerissen und davongeweht werden konnte.
    Er war ein Überträger – das sagten ihr die Schwellungen an seinen Gelenken. Wahrscheinlich hatte er den Rest

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