Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
sich – sie mir auch nur anzusehen, wie ich es jetzt gerade tue, macht mich schon krank. Wir werden beide sterben, Ihr und ich, noch ehe wir zehn Schritt vor dem Tor stehen.«
    Paran überprüfte das Schwert an seinem Gürtel, rückte dann die Helmriemen zurecht. »Ich bin nicht so blind wie du glaubst, Feldscher.« Er betrachtete ein, zwei Herzschläge lang die Stadt und griff dann nach den Zügeln. »Reite dicht neben mir, Noto Beul.«
    »Hauptmann, das Tor sieht zu aus, sieht verschlossen aus – wir sind nicht willkommen.«
    »Mach dir keine Gedanken um das verdammte Tor«, sagte Paran. »Bist du bereit?«
    Der Mann blickte ihn aus wilden Augen an. »Nein«, sagte er mit schriller Stimme, »das bin ich nicht!«
    »Sehen wir zu, dass wir das hinter uns bringen«, sagte Paran und stupste sein Pferd an, so dass es sich in Bewegung setzte.
    Noto Beul warf noch einen letzten Blick über die Schulter und sah, dass die Soldaten zu Hunderten beisammenstanden und hinter ihnen her starrten. »Bei den Göttern«, flüsterte er, »warum bin ich jetzt nicht bei ihnen?«
    Dann setzte er sich in Bewegung, um Hauptmann Gütig einzuholen, der einst einen unschuldigen Mann vom Rand eines Turms hatte baumeln lassen. Und es jetzt wieder tut – mit mir!
     
    Sie war einst losgeschickt worden, um ihren jüngeren Bruder zu jagen, ihm durch die halbe Stadt nachzuspüren – oh, er hatte gewusst, dass sie hinter ihm her war, dass sie diejenige war, die die anderen hinter ihm her schicken würden, die Einzige, die in der Lage war, eine Hand um einen dürren Knöchel zu legen, ihn zurückzuziehen und dann so lange zu schütteln, bis sein Hirn im Innern seines Schädels schepperte. Er hatte sie in jener Nacht auf einen wilden Pfad geführt. Zehn Jahre alt und bereits absolut nicht zu bändigen, mit Augen, so glänzend wie Murmeln, die man mit einem Mundvoll Spucke poliert hatte, das weiße Lächeln schlimmer als das Zähnefletschen eines Wolfs, ganz und gar schlaksige Glieder und herumtollende Bosheit.
    Er hatte … Dinge gesammelt. Heimlich. Haarsträhnen, abgeschnittene Fingernägel, ein verfaulter Zahn. Etwas – wie sich herausstellte – von jedem Mitglied der ausgedehnten Familie. Zweiundvierzig Personen, wenn man die vier Monate alte Minarala mitzählte – und das hatte er getan, der kleine Dreckskerl. Ein weniger phantasievoller Wahnsinn hätte sich vielleicht mit einem Haufen schrecklicher Puppen begnügt, mit deren Hilfe er geringfügige, aber bleibende Qualen hätte zufügen können, um sein unersättliches Böses zu nähren. Nicht so ihr Bruder, der ganz offensichtlich glaubte, dass er für die große Niedertracht ausersehen war. Er hatte sich nicht damit zufriedengegeben, Puppen mit einer gewissen Ähnlichkeit herzustellen – er hatte aus Schnur, Stöckchen, Stroh, Wolle und Horn eine kleine Herde aus zweiundvierzig Schafen geschaffen. Eingesperrt in einen Kral aus Stöcken, den er im Obergeschoss des Herrenhauses aufgebaut hatte. Dann benutzte er einen seiner Milchzähne, den er sich gerade herausgepuhlt hatte, um sich etwas zu basteln, das Wolfsfängen ähnelte, und bastelte dann aus Stofffetzen den Wolf dazu, in einer Größe, die es ihm gestattete, eine Schafspuppe in einem Happen zu verschlingen.
    Umgeben von Strängen aus wahnsinniger Magie, hatte er seinen Wolf mitten in die Herde gesetzt.
    In der Nacht dann Schreie und Weinen, in einem Haushalt nach dem anderen, ausgelöst von entsetzlichen Alpträumen, die erfüllt waren von dem Gestank nach Panik und Wollfett, von trommelnden Hufen und verzweifelter, hoffnungsloser Flucht. Bisse und Schläge von dem riesigen, heulenden Wolf, das Biest spielte mit jedem von ihnen – oh, auch sie würde sich noch lange, lange Zeit an diese Qualen erinnern.
    Im Verlauf des folgenden Tages, als Onkel, Tanten, Neffen und dergleichen sich versammelten, alle bleich und zitternd, und als offenbar wurde, dass sie alle in dieser Nacht von Entsetzen heimgesucht worden waren, brauchte kaum jemand lange, um die Quelle ihrer Alpträume auszumachen – natürlich war er längst verduftet und in eines seiner zahllosen Verstecke in der Stadt verschwunden. Wo er sich so lange verstecken wollte, bis die Wut und das Gefühl der Schmach verklungen sein würden.
    Denn bei Verbrechen, die von Kindern begangen wurden, verblasste schließlich irgendwann jeder Zorn, wenn an seine Stelle die Sorge trat. Das galt für die meisten Kinder, für normale Kinder; aber nicht für Ben Adaephon Delat, der zu weit

Weitere Kostenlose Bücher