SdG 11 - Die Kochenjäger
der Zeltklappe gegriffen hatte.
»Verbrennt meinen Körper«, sagte sie. »Am besten füllt meine Lunge mit Öl, so dass der Brustkorb aufplatzt und meine verwüstete Seele freikommt und davonfliegen kann. So wird es in Shal-Morzinn gemacht.«
Er zögerte, nickte dann.
Draußen stellte er fest, dass Noto Beul, der Feldscher, immer noch dastand und die blutige Spitze seiner Gräte einen Augenblick lang untersuchte, bevor er sie wieder in den Mund schob.
»Hauptmann Gütig«, sagte der Mann grüßend. »Gerade war Vorreiter Hurlochel hier und hat nach Euch gesucht. Von ihm habe ich erfahren, dass Ihr etwas … Unbesonnenes tun wollt.«
»Wenn die einzige andere Möglichkeit ist, einfach nur darauf zu warten, dass sie sterben, Feldscher, gehe ich sehr wohl das Risiko ein, etwas Unbesonnenes zu tun.«
»Ich verstehe. Und wie genau soll dieser Angriff ablaufen? Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr der Grauen Göttin selbst entgegentreten werdet. Ich habe meine Zweifel, dass selbst Euer Ruf ausreichen wird, die Soldaten zu zwingen, Poliels Großen Tempel anzugreifen. Tatsächlich habe ich sogar meine Zweifel, ob Ihr sie auch nur dazu bringen könnt, G’danisban zu betreten.«
»Ich nehme keine Soldaten mit, Feldscher.«
Ein weises Nicken von dem hageren Mann. »Oh, dann also eine Ein-Mann-Armee, ist es das, ja? Zugegeben«, er beäugte Paran abwägend, »ich habe Geschichten über Eure außergewöhnliche … Wildheit gehört. Ist es wahr, dass Ihr einst einen Falah’d vom Rand des Balkons seines Palastturms habt baumeln lassen? Obwohl er zum damaligen Zeitpunkt ein Verbündeter des Imperiums war. Was war nochmal sein Verbrechen? Oh, ja, die Farben seines Gewands hatten nicht zusammengepasst – und das am ersten Tag des Fests des Imperators. Was für Farben waren es denn, die zu tragen er die Unverschämtheit hatte?«
Paran musterte den Mann einen Augenblick lang und lächelte dann. »Blau und grün.«
»Aber das sind keine Farben, die nicht zusammenpassen, Hauptmann.«
»Ich habe nie behauptet, dass ich in ästhetischen Dingen ein gutes Urteil hätte, Feldscher. Also, worüber haben wir gesprochen? Oh, ja, meine Ein-Mann-Armee. In der Tat. Ich habe vor, nur einen Mann zu befehligen. Zusammen werden wir die Graue Göttin angreifen, mit der Absicht, sie aus dieser Sphäre zu vertreiben.«
»Ich glaube, Ihr habt gut gewählt«, sagte Noto Beul. »In Anbetracht dessen, was ihn erwartet, hat Hurlochel vor ein paar Augenblicken hier eine beeindruckende Ruhe an den Tag gelegt.«
»Warum auch nicht«, sagte Paran, »schließlich kommt er ja nicht mit. Sondern du.«
Die Gräte durchbohrte die Oberlippe des Feldschers. Ein Ausdruck des Schmerzes ersetzte die Ungläubigkeit. Er zog die Nadel aus seiner Lippe und warf sie weg, presste dann beide Hände gegen die schmerzende Stelle. Seine Augen sahen aus, als würden sie gleich aus ihren Höhlen treten.
Paran klopfte dem Mann auf die Schulter. »Sorge dafür, dass sich jemand darum kümmert, ja? In einem halben Glockenschlag brechen wir auf, Feldscher.«
Er saß auf einer Ausrüstungskiste und lehnte sich langsam zurück, bis die Zeltwand nicht mehr nachgab. Dann streckte er die Beine aus. »Ich sollte jetzt eigentlich halb betrunken sein«, sagte er, »angesichts dessen, was ich gleich tun werde.«
Hurlochel schien nicht in der Lage zu sein, ein Lächeln zustande zu bringen. »Bitte, Hauptmann. Wir sollten das Lager abbrechen. Unsere Verluste gering halten. Ich bitte Euch dringend, den Weg, den Ihr einschlagen wollt, nicht weiterzuverfolgen, denn er wird kein anderes Ergebnis bringen als den Tod eines weiteren guten Soldaten, ganz zu schweigen von einem schwierigen, aber fähigen Feldscher.«
»Oh, ja. Noto Beul. Einst Priester von Soliel, der Götterschwester von Poliel.«
»Er ist kein Priester mehr, Hauptmann. Diejenigen, die sich losgesagt haben, gelten nicht viel bei den Aufgestiegenen, die sie im Stich gelassen haben.«
»Soliel. Die Herrin der Heilung, die Wohltäterin, die Göttin, die Heilende Tränen Weint. Sie muss mittlerweile so viel geweint haben, dass ihre Tränen einen Ozean füllen müssten, glaubst du nicht auch?«
»Ist es klug, sie an dieser Schwelle zu verspotten, Hauptmann?«
»Warum nicht? Hat ihr berüchtigter, unaufhörlicher Jammer über die Notlage der Sterblichen diesen je etwas genützt, Hurlochel? Irgendwie? Es ist leicht zu weinen, wenn man sich heraushält und nichts tut. Wenn man für jeden Überlebenden da
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