SdG 12 - Der Goldene Herrscher
sind nicht sehr viel anders, nur ein bisschen in die Länge gezogen.«
»Kneifen? Bevor oder nachdem du uns den Kopf abgeschlagen hast?«
Er gab ein kehliges Lachen von sich.
Samar Dev lehnte sich zurück an den Ballen, in dem etwas Hartes, Klumpiges verpackt war. Obwohl es ein bisschen unbequem war, hatte sie keine Lust, die Sache genauer zu untersuchen. Sowohl die Edur wie die Letherii hatten absonderliche Vorstellungen darüber, was alles Beute sein konnte. In genau diesem Laderaum gab es Amphoren, die gewürztes, menschliches Blut enthielten und ein Dutzend mit Wachs umhüllte Leichname von Edur-»Flüchtlingen« aus Sepik, die die Reise nicht überlebt hatten und wie Stoffballen an einem blutbefleckten Schneckenmuschel-Thron aufgestapelt waren, der dem Häuptling einer abgelegenen Insel gehört hatte - und dessen eingelegter Kopf wahrscheinlich in einem der Krüge ruhte, an denen Karsa Orlong lehnte. »Zumindest werden wir bald von diesem verdammten Schiff runterkommen. Meine Haut ist schon ganz ausgetrocknet. Schau dir meine Hände an - ich habe mumifizierte Hände gesehen, die haben besser ausgesehen. Dieses verdammte Salz - es hängt an einem wie eine zweite Haut, und es löst einem …«
»Bei den Geistern hienieden, Frau, du treibst mich noch dazu, gleich noch einer Ratte den Hals umzudrehen.«
»Dann bin ich also verantwortlich für den Tod der letzten Ratte, ja? Es ist wohl überflüssig zu sagen, dass ich dagegen protestiere. Es war deine Hand, Toblakai. Deine Hand, die …«
»Und es ist dein Mund, der nie schweigt, so dass ich etwas töten muss.«
»Ich bin nicht an deinen gewalttätigen Ausbrüchen schuld. Außerdem wollte ich mich nur harmlos unterhalten, damit die Zeit schneller vergeht. Wir haben uns schon einige Zeit nicht mehr unterhalten, wir beide. Ich stelle fest, dass mir Taxiliers Gesellschaft lieber ist, und wenn er nicht krank vor Heimweh wäre und sogar noch schlechter gelaunt als du …«
»Dich unterhalten - so nennst du es? Und warum sind meine Ohren dann taub?«
»Ich bin auch ungeduldig, weißt du. Ich habe schon sehr lange niemanden mehr mit einem Fluch belegt.«
»Deine kreischenden Geister machen mir keine Angst«, antwortete Karsa Orlong. »Und sie kreischen schon die ganze Zeit, seit wir in den Fluss eingelaufen sind. Tausend Stimmen, die in meinem Kopf schreien - kannst du sie nicht zum Schweigen bringen?«
Seufzend legte sie den Kopf zurück und schloss die Augen. »Toblakai… du wirst eine Menge Zuschauer haben, wenn du mit diesem Imperator der Edur die Klinge kreuzt.«
»Was hat das mit deinen Geistern zu tun, Samar Dev?«
»Ja, das war zu rätselhaft, stimmt’s? Dann werde ich ein bisschen deutlicher werden. In der Stadt, der wir uns nähern, gibt es Götter. Ortsansässige Götter.«
»Geben die auch mal Ruhe?«
»Sie leben nicht in Tempeln. Und es gibt auch keine Zeichen über den Türen ihrer Häuser, Karsa Orlong. Sie sind in dieser Stadt, aber nur wenige wissen davon. Verstehst du, die Geister kreischen, weil sie nicht willkommen sind, und, was noch beunruhigender ist, sollte irgendeiner von diesen Göttern versuchen, sie mir zu entreißen … nun, es gibt nicht viel, was ich dagegen tun könnte.«
»Aber sie sind auch an mich gebunden, oder?«
Sie klappte den Mund zu, spähte in der Düsternis zu ihm hinüber. Ein Dröhnen ging durch den Rumpf, als das Schiff seitlich gegen das Dock stieß. Sie sah seine gebleckten Zähne schimmern - es wirkte barbarisch -, und ein Frösteln überlief sie. »Was weißt du davon?«, fragte sie.
»Es ist mein Fluch, Seelen zu sammeln«, antwortete er. »Und was sind Geister, Hexe, wenn nicht einfach mächtige Seelen? Sie suchen mich heim … ich suche sie heim. Die Kerzen, die ich bei dir zuhause angezündet habe - sie waren in dem Wachs, oder?«
»Du hast sie freigelassen, und dann festgehalten, ja. Ich habe sie eingesammelt … nachdem ich dich weggeschickt hatte.«
»Du hast sie in dem Messer an deinem Gürtel gebunden«, sagte Karsa. »Sag mir, spürst du die beiden Toblakai-Seelen in meiner Waffe?«
»Ja. Nein. Das heißt, ich spüre sie, aber ich wage es nicht, mich ihnen zu nähern.«
»Warum?«
»Karsa, sie sind zu stark für mich. Sie sind wie Feuer in den Kristallen dieses Feuersteins, gefangen durch deinen Willen.«
»Nicht gefangen«, antwortete er. »Sie leben darin, weil sie es so wollten, weil die Waffe ihnen Ehre erweist. Sie sind meine Gefährten, Samar Dev.« Der Toblakai stand plötzlich auf,
Weitere Kostenlose Bücher