SdG 12 - Der Goldene Herrscher
ihn zu verführen, seine Aufforderungen, so etwas wie einer vorsätzlichen Auflösung zuzustimmen, wurden allmählich lästig. Ächzend stand er auf.
Auf dem Abhang zu seiner Linken, hundert oder mehr Schritte entfernt, lag das Skelett eines Drachen. Irgendetwas hatte seinen Brustkorb zerschmettert, wuchtige Schläge hatten Splitter und ganze Rippenstücke nach innen getrieben - was tödlich gewesen war, wie er selbst aus dieser Entfernung erkennen konnte. Die Knochen sahen seltsam aus, denn sie waren alle von etwas umhüllt, das wie schwarzes, rauchiges Glas wirkte. Glas, von dem Fäden bis zum Boden reichten, und das dann in erstarrten Strömen durch die Furchen des Hangs geflossen war. Als ob das schmelzende Fleisch der Bestie irgendwie zu Glas geworden wäre.
Das Gleiche hatte er bei den Überresten der beiden anderen Drachen gesehen, an denen er vorbeigekommen war.
Er stand da und schwelgte in dem, was er sich einbildete - dem dumpfen Schmerz in seinem verlängerten Rücken, den unklaren Ohrenschmerzen von dem hartnäckigen Wind und der Trockenheit in seiner Kehle, die ihn dazu zwang, sich immer wieder zu räuspern. Was er auch nun tat, ehe er sagte: »All die Wunder und das Elend eines Körpers - das alles hast du vergessen, Wind. Das ist es, wonach du dich sehnst. Du willst, dass ich mich mit dir zusammentue? Ha - es läuft genau anders mm!«
Du wirst dieses Spiel niemals gewinnen, mein Lieber …
»Und warum spielen wir dann?«
Er ging schräg den Hang hinauf. Oben auf der Hügelkuppe konnte er noch mehr Gesteinstrümmer sehen, die Überreste eines Tempels, der durch ein Loch in der Erde gefallen, den Augen der Sterblichen durch eine Explosion aus Staub und Donner entrissen worden war. Als wären einem Gott die Beine unter dem Körper weggezogen worden. Als wäre ein Glaube durch einen einzigen Messerstich ausgelöscht worden. Ein Loch in der Erde, und dann stürzten die Teile des Tempels durch den Abgrund, Sphäre um Sphäre durch die ätherischen Schichten, bis ihnen die Welten ausgingen, durch die sie hindurchfallen konnten.
Und so landeten sie holterdipolter genau auf dem Kopf des Vermummten.
Deine Respektlosigkeit wirst du noch zutiefst bedauern, mein Lieber.
»Was ich zutiefst bedauere, Wind, ist, dass es hier nie regnet. Keine tosend herabstürzenden Wassermassen - die alle deine Worte ersäufen könnten.«
Du bist heute in schlechter Stimmung. Das passt gar nicht zu dir. Du und ich, wir haben so viele Spiele miteinander gespielt. »Dein Atem wird kalt.« Weil du in die falsche Richtung gehst!
»Aha. Danke, Wind.«
Eine bitterkalte Böe schüttelte ihn plötzlich, zeigte ihm das Missfallen des Windes. Sandkörnchen brannten ihm in den Augen, und er lachte. »Und schließlich wird das Geheimnis des Vermummten enthüllt. Trippel wieder zu ihm zurück, Wind, du hast das Spiel verloren.«
Du Narr. Denk doch mal über diese Frage nach: Wirst du unter den Gefallenen, unter den Toten, mehr Soldaten - mehr Kämpfer als Nichtkämpfer finden? Wirst du mehr Frauen als Männer finden? Mehr Götter als Sterbliche? Mehr Narren als Weise? Was übertönt unter den Gefallenen alles andere - der Widerhall marschierender Armeen? Oder das Stöhnen der Kranken, die Schreie der Hungernden?«
»Ich nehme an, dass sich letztlich alles ausgleichen wird«, antwortete er nach einem Augenblick.
Du irrst dich. Ich muss dir antworten, auch wenn es dir das Herz brechen wird. Ich muss.
»Das ist nicht nötig«, antwortete er. »Ich weiß es bereits.« Tust du das?, flüsterte der Wind.
»Du willst, dass ich zusammenbreche. Vor Verzweiflung. Ich kenne deine Tricks, Wind. Und ich weiß auch, dass du vermutlich das Einzige bist, was noch von irgendeinem uralten, längst vergessenen Gott übrig ist. Beim Vermummten, vielleicht bist du auch sie alle, und ihre unzähligen Stimmen sind ein verworrenes Durcheinander, das noch ein bisschen Staub und Sand und sonst nicht mehr viel anstößt. Du willst, dass ich vor dir auf die Knie falle. Dich unterwürfig anbete, damit dann vielleicht noch ein Tröpfchen Macht zu dir kommt. Genug, damit du fliehen kannst.« Er stieß ein knurrendes Lachen aus. »Aber hier ist was zum Nachdenken für dich, Wind. Warum suchst du von allen Gefallenen ausgerechnet mich heim?«
Warum nicht? Du pochst kühn auf Knochen und Fleisch. Du würdest dem Vermummten ins Gesicht spucken - du würdest mir ins Gesicht spucken, wenn dir eine Möglichkeit einfallen würde, wie du meinem Zurückspucken
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