SdG 12 - Der Goldene Herrscher
immer begrüße ich Gespräche«, sagte Rautos, während er erneut nach dem Tuch griff und sich die Hände abwischte. »Ja, sogar ein Infragestellen. Sonst werde ich unachtsam. Und jetzt müssen wir abschätzen, wie gesund unsere eigenen Besitztümer sind, um uns allen einen besseren Anhaltspunkt für unsere Belastbarkeit zu geben …«
Während das Treffen andauerte, wischte Rautos sich wieder und wieder die Hände ab. An diesem Morgen hatte sich eine Leiche an einem der Pfosten der gegenüberliegenden Anlegestelle verhakt gehabt - aufgebläht und verwesend, von Krabben und Aalen wimmelnd. Das kam gelegentlich vor, aber es war etwas, das ihn jedes Mal härter traf, vor allem in den letzten paar Jahren. An diesem Morgen war es besonders schlimm gewesen, und obwohl er auf der obersten Stufe seines Hofs geblieben und gar nicht näher herangegangen war, war ihm immer noch so, als hätten irgendwelche Rückstände ihn erreicht und seine Hände merkwürdig klebrig gemacht - Rückstände, die er anscheinend nicht loswerden konnte, ganz egal, wie sehr er es auch versuchte.
Kapitel Zehn
Der Eine Gott schritt von der magischen Feuersbrunst fort - eine Marionette, die durchtrennte Fäden hinter sich her zog. Eine weitere Stadt war zerstört, ein weiteres Volk zu Zehntausenden niedergemacht. Wer von uns, die wir Zeuge seines Erscheinens geworden waren, konnte zu einem anderen Schluss kommen als dem, dass der Wahnsinn ihn gepackt hatte? Denn trotz all der Schaffensmacht, die er besaß, brachte er nichts als Tod und Zerstörung. Räuber des Lebens, Schlächter und Schnitter - in seinen Augen, in denen ein paar Herzschläge zuvor vernunftlose Wut gelodert hatte, war jetzt nichts als Ruhe. Er wusste nichts. Er konnte sich das Blut an seinen Händen nicht erklären. Er bat uns um Antworten, aber wir konnten nichts sagen.
Wir konnten weinen. Wir konnten lachen.
Wir entschieden uns für das Lachen.
Das Glaubensbekenntnis der Spötter Cabal
Lass uns ein Spiel spielen, flüsterte der Wind, und dann lachte er im sanften Zischen von Staub und Sand.
Igel saß da und lauschte. Der bröckelige Steinblock unter ihm war durch Verwitterung wie ein Sattel geformt worden und unter den gegebenen Umständen durchaus bequem. Vielleicht war er einst ein Altar gewesen, der durch irgendein Loch im Himmel gefallen war - beim Vermummten, im Laufe seiner langen, verschlungenen Wanderung durch diese düstere Welt waren mehr als genug merkwürdige Gegenstände aus der niedrigen, undurchdringlichen Wolkendecke gefallen. Ein paar von ihnen für sein Empfinden viel zu nah.
Ja, vermutlich ein Altar. Die Mulde, in der sein Hintern ruhte, fühlte sich zu gleichmäßig, zu symmetrisch an, um natürlichen Ursprungs zu sein. Er machte sich allerdings keine Sorgen wegen der Blasphemie - dies war schließlich der Ort, an den die Toten gingen. Und zu den Toten zählten gelegentlich auch Götter.
Das hatte der Wind ihm erzählt. Er war nun schon so lange sein Begleiter, dass Igel sich an seine ungezwungenen Offenbarungen gewöhnt hatte, an seine leise gekrächzten Geheimnisse und seine zärtliche Umarmung. Wenn er über einen Haufen riesiger Knochen stolperte, die auf irgendeinen unmenschlichen, monströsen Gott aus längst vergangenen Zeiten verwiesen, dann raunte der Wind - während er an den Knochen entlangglitt, zwischen hochstehenden Rippen hindurchstrich und sich durch Augenhöhlen in leere Schädel wand - den einstmals heiligen Namen dieses Gottes. Die Namen. Es schien, als hätten Götter viele davon, und die Laute wären jetzt und für immer in der Domäne des Windes gefangen. In Staubwirbeln ausgesprochen und nunmehr nichts weiter als Echos.
Lass uns ein Spiel spielen.
Es gibt kein Tor - oh, du hast es gesehen, das weiß ich sehr wohl.
Aber es ist eine Lüge. Es ist etwas, das dein Verstand aufbaut, Stein um Stein.
Denn deine Art liebt Begrenzungen. Schwellen, Trennlinien, Abgrenzungen. Ihr glaubt, ihr müsstet einen Ort verlassen, um einen anderen betreten zu können. Aber schau dich um, dann kannst du es sehen. Da ist kein Tor, mein Freund.
Ich zeige es dir. Wieder und wieder. An dem Tag, an dem du es begreifit, an dem Tag, an dem die Weisheit zu dir kommt, wirst du dich mit mir zusammentun. Das Fleisch, das dich umhüllt, ist deine letzte Einbildung. Gib es auf, mein Lieber. Du hast dich schon einmal zerstreut und wirst es wieder tun. Wenn die Weisheit zu dir kommt. Ist die Weisheit schon angekommen?
Die Versuche des Windes,
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