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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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das nicht der Grund, warum wir davonrennen?
    Mit ihnen ritt auch ein Fremder. Ein Spötter, hatte Yan Tovis gesagt, was auch immer das bedeuten mochte. Irgendein Mönch. Mit einem bemalten Gesicht, als würde er herumtollen und Mummenschanz treiben - was für eine verrückte Religion ist denn das? Varat Taun konnte sich nicht daran erinnern, dass der merkwürdige kleine Mann auch nur ein einziges Wort gesagt hatte - vielleicht war er stumm, vielleicht war ihm die Zunge herausgerissen worden. Anhänger von Kulten fügten sich manchmal schreckliche Dinge zu. Die Reise über die Meere und Ozeane der Welt hatte ein anscheinend nie endendes Gepränge von bizarren Kulturen und Gebräuchen geboten. Nichts, das sich jemand in Sachen Selbstverstümmelung im fehlgeleiteten Dienst eines Gottes antun könnte, hätte Varat Taun noch überrascht. Der Spötter war einer der Herausforderer gewesen, aber mittlerweile war offensichtlich, wie absurd das gewesen war - nach dem ersten Tagesritt war er so erschöpft gewesen, dass er sich kaum noch im Sattel hatte halten können. Er war offenbar ein Heiler.
    Der mich geheilt hat. Der mich aus einem Zustand voller Entsetzen und Verwirrung herausgeführt hat. Ich habe mich bei ihm bedankt, aber er hat nur genickt. Hat er die Visionen in meinem Geist gesehen? Hat ihn das stumm gemacht, ist seine geistige Gesundheit bedroht? Jedenfalls war er kein Herausforderer für den Imperator, und deswegen ritt er jetzt neben Yan Tovis, obwohl der Leutnant keine Ahnung hatte, welchen Wert sie dem Spötter beimaß.
    Vielleicht unterscheidet es sich ja gar nicht großartig davon, wie sie mich sieht. Dass ich sie jetzt begleite, ist ein Akt der Barmherzigkeit. Bald werde ich in meine Heimatstadt geschickt werden und dort einen neuen Posten erhalten. Kann dann bei meiner Frau und meinem Kind sein. Zwielicht denkt nicht wie eine Atri-Preda - nicht einmal ihre Pflicht als Soldatin hat sie dazu bringen können, das, was sie erfahren hat, ihren Vorgesetzten mitzuteilen.
    Aber das ist nicht das erste Mal, oder? Warum sollte ich also überrascht sein? Schließlich hat sie Fenthing den Edur übergeben, oder? Kampflos. Sie haben einfach nur die Tore aufgemacht.
    » Unübersehbar liebt sie die Edur so sehr, dass sie sie begleiten kann, um das Kommando über die letheriischen Streitkräfte an Bord der Flotten zu übernehmen.« So hatte es geheißen, trocken und spöttisch.
    Und die Wahrheit ist möglicherweise, dass Yan Tovis feige ist.
    Dieser Gedanke gefiel Varat Taun nicht, auch wenn er ihn von nun an nicht mehr losließ. Er gemahnte sich an die Schlachten, an die Scharmützel, sowohl zu Wasser wie zu Lande, wo er niemals auch nur den aller-kleinsten Grund gehabt hatte, an ihrem Mut zu zweifeln.
    Doch hier und jetzt floh sie mit ihrer Elitetruppe aus Letheras.
    Weil ich die Behauptungen dieses Gral-Kriegers bestätigt habe. Davon mal abgesehen - würde ich noch einmal freiwillig neben Icarium stehen wollen? Nein. Ich würde weder an seiner Seite stehen, noch in der gleichen Stadt sein wollen - möglichst nicht einmal auf dem gleichen verdammten Kontinent. Macht mich das auch zum Feigling?
    In der Höhle war ein Kind gewesen, ein merkwürdiges Ding, mehr Kobold als Mensch. Und es hatte geschafft, was niemandem zuvor gelungen war - Icarium auszuschalten, ihm seine Wut und all die Macht zu stehlen, die mit dieser Wut einherging. Varat Taun glaubte nicht, dass es noch einmal zu einem solchen Eingreifen kommen würde. Die Verteidiger des Ersten Throns hatten Verbündete gehabt. Der Imperator in Gold konnte gar nicht anders, als so etwas abzulehnen. Es würde niemand da sein, um Icarium aufzuhalten. Niemand außer Rhulad - was natürlich möglich war.
    Unser Mangel an Vertrauen in unseren Imperator hat uns auf diese Straße geführt.
    Aber was ist, wenn keiner der beiden fällt? Was, wenn Icarium Rhulad wieder und wieder tötet, töten muss? Zehnmal, fünfzigmal, hundertmal - zehntausendmal? Eine endlose Folge von Kämpfen, in deren Verlauf alles andere ausgelöscht werden würde. Könnte es nicht sein, dass wir das Ende der Welt vor uns sehen?
    Icarium kann nicht aufgeben. Und Rhulad wird es nicht. Sie werden beide in dieser Zwangsläufigkeit gefangen sein. Und sie werden beide dem Wahnsinn verfallen, der die logische Folge davon ist.
    Blaurose würde nicht weit genug weg sein. Kein Ort Wirdes sein.
    Er hatte den einzigen Mann zurückgelassen, der das, was geschehen würde, besser verstand als sonst irgendjemand. Den

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