SdG 12 - Der Goldene Herrscher
- keiner von ihnen hatte es mitbekommen, wie sie erleichtert feststellte. »Also gut«, sagte sie zu Udinaas und ging dorthin, wo Forcht Sengar noch immer bei dem toten Edur stand.
»Ich muss die Schlüssel holen«, sagte sie und kauerte sich neben den Edur, der als Erster gefallen war.
»Fasst ihn nicht an«, sagte Forcht.
Sie schaute zu ihm auf. »Die Schlüssel … für die Ketten …«
»Ich werde sie suchen.«
Sie nickte, stand auf und trat ein paar Schritte zurück. Schaute zu, wie er ein stummes Gebet sprach und sich dann neben dem Leichnam auf die Knie niederließ. Er fand die Schlüssel in einem Lederbeutel, der am Gürtel des Kriegers befestigt war, und der auch eine Handvoll polierter Steine enthielt. Forcht nahm die Schlüssel in die linke Hand und legte sich die Steine auf die Handfläche der rechten. »Die hier«, sagte er, »sind vom Meeresstrand seiner Heimat. Wahrscheinlich hat er sie schon als Kind gesammelt.«
»Kinder werden groß«, sagte Seren. »Selbst gerade Bäume bringen manchmal krumme Äste hervor.«
»Und was hatte dieser Krieger für Fehler?«, wollte Forcht wissen. Er starrte sie düster an. »Er ist meinem Bruder gefolgt, genau wie alle anderen Krieger der Stämme.«
»Manche von ihnen haben sich irgendwann abgewandt, Forcht.« Genau wie du.
»Das, wovon ich mich abgewandt habe, liegt im Schatten dessen, dem ich mich jetzt zugewandt habe, Freisprecherin. Stellt das meine Loyalität gegenüber den Tiste Edur in Frage? Gegenüber meinem eigenen Volk? Nein. Das vergesst Ihr alle wieder und wieder, weil es für Euch so gut passt. Hört mir zu, Freisprecherin. Ich werde mich verstecken, wenn ich muss, aber ich werde nicht meine eigenen Leute töten. Wir haben das Geld, wir hätten ihnen die Freiheit erkaufen können …«
»Das gilt nicht für Udinaas.«
Er bleckte die Zähne, sagte aber nichts.
Ja, Udinaas - der Mann, den du nur allzu gerne töten würdest. Wenn Silchas Ruin nicht wäre… »Forcht Sengar«, sagte sie, »Ihr habt Euch entschlossen, mit uns zusammen zu reisen, und es kann keinen Zweifel - wirklich nicht den geringsten - daran geben, dass Silchas Ruin in unserer armseligen Gruppe das Sagen hat. Wenn Euch seine Methoden nicht gefallen - na schön. Aber er ganz allein wird Euch hier durchbringen. Und das wisst Ihr.«
Der Krieger vom Stamm der Hiroth blickte weg, die Straße entlang. Er blinzelte, um das Wasser aus seinen Augen zu bekommen. »Und mit jedem Schritt wird der Preis höher, den ich für meine Suche zu zahlen habe - eine Art, sich zu verschulden, die Ihr nur allzu gut kennen dürftet, Freisprecherin. Die Lebensweise der Letherii, die Bürde, der man niemals entkommen kann. Und von der man sich auch nicht freikaufen kann.«
Sie streckte die Hand nach den Schlüsseln aus.
Er legte sie ihr in die Hand, nicht gewillt, ihr in die Augen zu schauen.
Wir unterscheiden uns nicht von diesen Sklaven. Sie wog die klirrenden Schlüssel in der Hand. Sind ebenso aneinandergekettet wie sie. Doch … wer hat die Schlüssel zu unserer Freiheit?
»Wo ist er hin?«, fragte Forcht.
»Er will die Letherii zur Strecke bringen. Ich gehe davon aus, dass Ihr nichts dagegen einzuwenden habt.«
»Nein. Aber Ihr solltet es, Freisprecherin.«
Ich nehme an, das sollte ich tatsächlich. Sie ging wieder zu den Sklaven zurück.
Ein Gefangener, der unweit von Udinaas angekettet war, war dicht zu ihm gekrochen, und Seren hörte die im Flüsterton gestellte Frage: »Der große Schlächter - war das die Weiße Krähe? Das war er doch, oder? Ich habe gehört …«
»Du hast überhaupt nichts gehört«, sagte Udinaas. Er hob die Arme, als Seren näherkam. »Es ist der Dreieckige«, sagte er zu ihr. »Ja, genau der. Hol uns der Abtrünnige, Ihr habt Euch ganz schön viel Zeit gelassen.«
Sie drehte den Schlüssel, bis die erste Handschelle sich mit einem Klicken öffnete. »Wir sind davon ausgegangen, dass ihr beide etwas von einem Bauernhof stehlen würdet - und nicht davon, dass ihr euch von Sklavenjägern fangen lasst.«
»Die Sklavenjäger haben auf dem verdammten Gelände gelagert. In jener Nacht hat wirklich niemand auf uns herabgelächelt.«
Sie schloss die zweite Handschelle auf, und Udinaas trat aus der Reihe heraus. Er rieb sich die roten Striemen an den Handgelenken. »Forcht hat versucht, Silchas von der Sache abzubringen - also, wenn man sich die beiden anschaut, ist es kein Wunder, dass die Edur und die Andii zehntausend Kriege gegeneinander geführt haben«, sagte
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