SdG 12 - Der Goldene Herrscher
alle sterben. Ha, ich weiß - es ist dir egal. Oh, ihr Menschen, ihr seid wirklich etwas Besonderes. Ihr macht mir jeden einzelnen Atemzug zur unterträglichen Qual. Und meine Krämpfe sind eure Wonnen. Also gut, Sterbliche, ich werde auf deine Gebete antworten. Ich verspreche es dir. Aber sag bitte nie, ich hätte dich nicht gewarnt. Tu das nicht. Niemals.«
Janall lachte, spuckte Speichelfäden. »Wir sind verrückt«, flüsterte sie. »Oh, ja, vollkommen verrückt. Und wir steigen ins Licht …«
Trotz all der herumhuschenden Bediensteten und der reglosen, behelmten Wachen an verschiedenen Eingängen fand Nisall die belebteren Bereiche des Ewigen Domizils in mancherlei Hinsicht bedrückender als die verlassenen Korridore, die sie vor einem Drittel Glockenschlag hinter sich gelassen hatte. Misstrauen verschlechterte die Luft, Furcht lauerte wie Schatten am Boden zwischen zwischen den Pfeilern aus Fackellicht. Angesichts des Verfolgungswahns, der Intrigen und des aufkommenden Verrats, von denen der Palast förmlich überquoll, hatte sein Name mittlerweile einen ironischen Beigeschmack bekommen. Als wären die Menschen zu nichts Besserem imstande und für alle Zeiten zu einem derart schäbigen Dasein verdammt.
Offensichtlich war Frieden an sich nichts Befriedigendes - abgesehen von der Freiheit, die er gewährte und die man dazu nutzen konnte, allen möglichen Unsinn zu treiben. Ihr Besuch bei der vermutlich wahnsinnigen Janall hatte Nisall erschüttert. Dieser Verkrüppelte Gott lauerte tatsächlich in den Augen der ehemaligen Herrscherin - Nisall hatte ihn gesehen, hatte gespürt, wie er auch ihr seine Aufmerksamkeit zugewandt, ihren möglichen Nutzen bedacht hatte - und es hatte sie frösteln gemacht. Sie wollte kein Teil der Pläne eines Gottes sein - und ganz besonders nicht dieses Gottes. Womöglich noch erschreckender war, dass Janalls Begierden ungeachtet ihres gequälten, brutal misshandelten Körpers noch immer vorhanden waren, aufgebläht von Visionen von höchster Macht. Der Gott benutzte sie ebenfalls.
Gerüchte über einen Krieg fauchten wie Windböen durch den Palast, Geschichten von einer Verschwörung angriffslustiger Königreiche und Stämme an den Landesgrenzen im Osten. Die Berichte, die der Kanzler Rhulad übermittelt hatte, waren alles andere als ehrlich gewesen, aber sie sollten den Imperator ja auch dazu ermuntern, den Einsatz zu erhöhen. Eine offizielle Kriegserklärung, das Überschreiten der Grenzen durch große Truppenverbände - ein Eroberungsfeldzug, um den Feinden zuvorzukommen. Schließlich war es weitaus besser, in ihren Ländern Blut zu vergießen statt auf letheriischem Boden. » Wenn das von Bolkando angeführte Bündnis Krieg will, soll es ihn haben.« Die glänzenden Augen des Kanzlers straften seine kühl und beinahe tonlos vorgebrachten Worte Lügen.
Rhulad war auf seinem Thron herumgerutscht, hatte seinem Unbehagen vor sich hinmurmelnd Ausdruck verliehen - die Edur waren zu weit verstreut, die K’risnan erschöpft. Warum konnten die Bolkandonen ihn so wenig leiden? Es hatte keine Liste mit Beschwerden gegeben. Er hatte nichts getan, um dieses Feuer zu entfachen.
Triban Gnol hatte in aller Ruhe darauf hingewiesen, dass erst einen Tag zuvor vier Agenten der verschworenen Mächte gefangen genommen worden waren, als sie Letheras betreten hatten. Als Kaufleute verkleidet, die Elfenbein kaufen wollten. Karos Invictad hatte einen Kurier mit ihren Geständnissen geschickt - wollte der Imperator sie vielleicht sehen?
Rhulad hatte nichts gesagt, sondern nur ablehnend den Kopf geschüttelt, während er den Blick seiner schmerzerfüllten Augen nicht von den Fliesen des Podests unter seinen Füßen genommen hatte.
Er war so verloren, dieser schreckliche Imperator.
Als sie in den Gang einbog, der zu ihren privaten Gemächern führte, sah sie eine große Gestalt unweit ihrer Tür stehen. Ein Tiste Edur, einer der wenigen, die im Palast lebten. Sie erinnerte sich vage daran, dass dieser Krieger etwas mit Sicherheitsaufgaben zu tun hatte.
Er neigte grüßend den Kopf, als sie nähertrat. »Erste Konkubine Nisall.«
»Hat der Imperator Euch geschickt?«, fragte sie, während sie an ihm vorbeiging und ihm dabei bedeutete, sie in ihre Gemächer zu begleiten. Nur die wenigsten Männer waren in der Lage, sie einzuschüchtern - dazu konnte sie sich zu gut in ihren Geist einfühlen. In der Gesellschaft von Frauen fühlte sie sich weniger wohl, genau wie in der von gewissermaßen
Weitere Kostenlose Bücher