SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)
»Können Sie schwimmen?«, wollte er wissen. Er stieß die Frage mit schroffer Stimme hervor, in der schwach ein kurioser Dialekt mitschwang.
»Selbstverständlich.« Sie sah kurz neugierig zu ihm.
Er hatte sich ihr nicht vorgestellt. Aber sein Name und Rang waren nicht zu übersehen: McGuire, Senior Chief. Über seiner linken Brusttasche waren so viele Dienstabzeichen befestigt, dass kaum noch Platz für weitere blieb. Sie schätzte ihn zehn Jahre älter als sich selbst. Er sah gut aus, seine Haut war wettergegerbt, er hatte einen schwarzen Schnurrbart und besaß sehr helle Augen, die fast farblos wirkten.
Mit diesen seltsamen Augen betrachtete er sie von oben bis unten, wobei es Penny so vorkam, als würde er mit seinem Röntgenblick durch ihre Leinenuniform sehen.
»Frauen können sich leichter über Wasser halten als Männer«, stellte er fest.
»Weil sie mehr Körperfett haben«, versetzte sie.
»Genau.« Dem Glanz in seinen Augen nach zu urteilen, gefiel ihm der Unterschied. Penny erschauderte. Warum sah Joe sie nicht so an?
»Schauen Sie sich das an«, forderte er sie auf und blickte auf den Ozean hinaus. »Sehen Sie die Stelle auf dem Wasser, die so kräuselig aussieht? Die Wellen schlagen dort nicht so hoch.«
Sie schaute in die Richtung, in die er mit dem Zeigefinger deutete. »Ja, ich seh’s«, sagte sie. Es war eine bizarre Unterhaltung.
»Kabbelung.« Mit den Augen fixierte er sie. »In einer Minute schwimmt man noch in Strandnähe, in der nächsten wird man aufs offene Meer hinausgezogen.«
Etwas an der Art, wie er das sagte, ließ sie frösteln. Sicher, es war Mitte November und das Wetter alles andere als tropisch.
»Wissen Sie, was man tut«, prüfte er sie, »wenn einem das passiert?«
Ging es hier um mehr als die Kabbelung? Falls ja, hatte sie keine Ahnung, worum. »Äh, ruhig bleiben«, schlug sie vor, während sie ihr Gedächtnis durchforstete, »und parallel zum Ufer schwimmen?«
Er lächelte nicht, trotzdem kam es ihr so vor, als machte er sich über sie lustig. »Und wenn man nicht stark genug ist, um gegen den Sog des Ozeans anzukämpfen?« Sein Blick war hypnotisierend.
»Ich weiß nicht«, gab sie zu. »Ich gehe nicht so oft im Meer schwimmen.«
»Angst vor Haien?«
»Nein, nicht unbedingt. Ich habe bloß nicht gern Sand in meinem Badeanzug.«
Er sah kurz an ihrem Körper hinunter. Diesmal zeigte er die Andeutung eines Lächelns. »Ich heiße Solomon«, sagte er.
»Penny.« Um ihre Verwirrung zu überspielen, reichte sie ihm die Hand.
Mit einer bedächtigen Geste ergriff er sie und umschloss sie vollständig mit seiner.
Penny bekam weiche Knie.
Großer Gott, was für ein Mann. Doch sein Griff war fest und kraftvoll, und während er ihre Hand hielt, ließ er keinen Zweifel daran, dass er sie anmachen wollte. Er war nicht Joe, aber ein Kerl – offenbar Single, gut aussehend und an ihr interessiert.
Ein wenig männliche Aufmerksamkeit täte ihr gut, dann würde sie sich nicht so auf Joe versteifen.
»Wenn das Wasser nicht so kalt wäre, würde ich jetzt gern mit Ihnen schwimmen gehen«, sagte Solomon und streichelte dabei mit dem Daumen über ihre Hand.
Penny zog sie mit einem verlegenen Lächeln weg. Der Mann ging einfach zu weit.
Zu ihrer Erleichterung hörte sie die Tür knarren. Sie drehte sich um und stellte fest, dass Joe mit ausdrucksloser Miene auf sie zuschlenderte.
Solomon ließ die Hände sinken. »Sir«, sagte er, als er Joe näher kommen sah.
Der blickte ihn streng an. »Senior Chief.« Er schaute lange genug zu Penny, um ihre geröteten Wangen zu bemerken. »Haben Sie ein Stück Torte gegessen?«, erkundigte er sich.
»Da musste ich passen«, erklärte sie. »Trotzdem danke für die Einladung. Die Zeremonie war sehr schön. Nicht zu lang, nicht zu kurz. Und Ihre Rede war perfekt.«
»Fahren Sie jetzt nach Hause?«
Nach Hause? So, wie er das sagte, klang es, als lebten sie zusammen.
»Nein, ich muss wieder zur Arbeit.«
»Aber heute Abend kommen Sie doch, oder?«
»Natürlich.« Sie konnte es kaum erwarten, sich auf einer seiner berühmten Partys unter die Leute zu mischen, schließlich war sie zum ersten Mal überhaupt eingeladen.
»Warum kommen Sie nicht auch, Senior Chief?«, fragte Joe, doch seine Aufforderung klang überhaupt nicht herzlich gemeint. »Sie haben doch eine Einladung bekommen.«
»Habe ich, Sir«, antwortete Solomon. »Ich werd’s versuchen.«
Joe umfasste Pennys Ellbogen. »Kommen Sie wieder rein. Hier draußen ist es
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