SEAL Team 12: Gefährliche Suche (German Edition)

Oberlippe, schob den Schlüssel in ihres von den zahlreichen Postfächern, flüsterte ein Gebet und machte langsam auf.
    Den meisten Platz beanspruchte ein dicker Umschlag.
    Mit einem erleichterten Aufschrei zog sie ihn heraus, um einen Blick auf den Absender zu werfen. Dann drückte sie ihn ans Herz. Als ihr vor lauter Freude und Reue die Tränen kamen, schloss sie die Augen, damit Silas, der draußen in ihrem klimatisierten Wagen saß, nichts davon mitbekam.
    Auf diese Unterlagen hatte sie ein Jahr lang gewartet. Nun, da sie sie endlich in den Händen hielt, kostete sie den Gedanken aus, auch Miguel bald in die Arme schließen zu können, denn so sollte es sein – vorausgesetzt, sie konnte die Adoption wie geplant abschließen.
    Mit zitternden Fingern riss sie den Umschlag auf und ging den Inhalt durch. Obenauf lagen, in nicht ganz richtigem Englisch, aber sauber getippt, Señora Muñoz’ Anweisungen. Während sie sie überflog, bekam sie einen ganz trockenen Mund.
    Schlagen Sie sich nach der Ankunft mit jedem verfügbaren Verkehrsmittel bis Puerto Ayacucho durch
.
Große Auswahl werden Sie nicht haben
. Darunter stand die Nummer eines Anwalts mit Namen Lorenzo.
Er lebt in Puerto Ayacucho und hat sich bereit erklärt, sich mit Ihnen in der Kathedrale Maria Auxiliadora zu treffen
.
Sobald er Ihren Scheck erhalten hat und sein Teil der Unterlagen unterschrieben ist, müssen Sie mit dem Jungen nach Caracas. Dort wird das Einwanderungsbüro Ihrer Botschaft die Papiere abzeichnen
.
Erst dann lässt eine Fluggesellschaft Miguel mit Ihnen ausreisen
.
    Vor einem Jahr wäre das noch ein Klacks gewesen, befand Jordan. Doch angesichts der schlechten Nachrichten, die sie am Abend zuvor von Solomon gehört hatte, lief es ihr beim Gedanken an die bevorstehende Reise kalt über den Rücken. Miguel in der kurzen Zeit, die ihr Visum ihr ließ, nach Hause zu holen, würde ihre Entschlossenheit auf eine harte Probe stellen.
    Sie schob die Unterlagen zurück in den Umschlag, ging mit ihrer Post zum Wagen und versteckte sie unter dem Fahrersitz, damit Silas, der hinten saß, sie nicht sah.
    Wie würde Solomon reagieren, wenn er dahinterkam, dass sie ihre Pläne trotz allem nicht aufgegeben hatte? Ob er ihr verzeihen könnte, dass sie ihn und Silas im Stich ließ? Aber warum, verflixt noch mal, fragte sie sich das überhaupt?
    »Morgen, Jordan!« Silas’ munterer Ruf weckte Jordan nach einer Nacht voller Albträume, in denen sie und Miguel während der Flucht aus Venezuela von Soldaten verfolgt worden waren. Stöhnend stützte sie sich auf einen Ellbogen und rieb sich den Schlaf aus den brennenden Augen.
    Sicher zu wissen, dass sie bald abreisen würde, hatte ihre Angst beflügelt. Sie empfand sowohl Bedauern und Furcht, als auch – ja – vage Hoffnung.
    Da es draußen in Strömen goss und Silas sich nur durch den Unterricht quälte, gab Jordan ihrer Zerstreutheit nach und ging mit ihm ins Kino.
    Als sie und Silas am Nachmittag pitschnass das Bootshaus betraten, nachdem sie durch den Regen gerannt waren, sehnte sie sich danach, in ihre Koje zu kriechen und zu schlafen. Inzwischen hatte sie sich sogar daran gewöhnt, dass das Wasser beständig gegen den Bug plätscherte.
    Doch Solomon war bereits von der Arbeit zurück und offenbar bestens drauf. »Lass uns was unternehmen«, schlug er mit einem Blick auf sie vor, der ihr mehr verriet, als ihr lieb war. »Ich möchte mit Silas ins Aquarium.«
    Jordan wollte nur noch das Gesicht in die Kissen drücken und die beängstigende Aufgabe vergessen, die vor ihr lag. »Ich bleibe hier«, sagte sie. »Geh du ruhig mit Silas los.«
    »Aber du sollst mitkommen!«, protestierte der Junge, schob dabei seine Hand in ihre und zerrte sie zum Ausgang.
    Jordan plagten Schuldgefühle. Es kam ihr vor, als würde sie Silas im Stich lassen, wenn sie zu Miguel flog. Und sie hatte diesen Tag sowieso schon abgehakt. Nicht einmal Solomon konnte den noch schlimmer machen.
    Doch zu ihrer Überraschung gab er ihm noch eine positive Wendung. In den folgenden drei Stunden beobachtete Jordan mit Erstaunen, wie sich der mürrische Senior Chief in einen gut gelaunten Begleiter und Vater verwandelte. Er und Silas lachten über die Otter in dem Wasserbecken vor dem Aquarium. Drinnen lotste er den Jungen vorbei an den Tieren der Sumpflandschaft direkt zu dem großen Becken voller Fische.
    Silas kreischte, als ein großer Weißer Hai dicht am Glas vorüberglitt. Dann beobachteten sie begeistert, wie das Tier einen