SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
Dann betrachtete er das zweite Foto, auf dem Mrs Garret zu sehen war. Das Bild war nicht nur verschwommen, sondern zeigte überdies eine Frau mit unauffälligen Gesichtszügen, mittelbraunem Haar und viel zu weiter Kleidung. »Und ein anderes Bild Ihrer Frau konnten Sie nicht finden ?« , wunderte sich Stan.
»Sie ist ein bisschen schüchtern « , erklärte Garret, »und lässt sich nicht so gern fotografieren .«
Das war nicht zu übersehen, fand Stan. Sie sah allerdings auch nicht wie eine Frau aus, die ihren eigenen Sohn entführte. »Gut, dann muss das genügen « , entschied er und steckte die Fotos in seine Brusttasche. »Wenn die noch in die Sonntagszeitung sollen, muss ich jetzt in die Hufe kommen .«
»Dann haben Sie Amber Alert ausgerufen « , vermutete Garret, und seine Miene spiegelte Erleichterung wider.
»Ja « , bestätigte Stan. »Wir können eine Kindesentführung gegenwärtig nicht ausschließen .«
»Danke « , gab Garret mit brüchiger Stimme zurück.
Sonst klopfte Stan den verzweifelten Eltern in solchen Momenten ermutigend auf die Schulter, aber bei diesem Vater hielt ihn irgendetwas – womöglich seine außerordentliche Körpergröße – von dieser Geste ab. »Bei Tagesanbruch beginnt die Suche nach Ihrer Frau und Ihrem Sohn in dieser Region und wird dann aufs ganze Land ausgeweitet « , tröstete er ihn stattdessen.
»Glauben Sie, dass Sie die beiden finden werden ?«
Stan wollte dem Mann keine allzu großen Hoffnungen machen. »Das hängt ganz von der Identität und den Beweggründen des Entführers ab. Sie haben keine Ahnung, wer der bärtige Fremde sein könnte ?« Er stellte diese Frage an diesem Abend bereits zum zehnten Mal.
»Nein « , antwortete Garret erschöpft. »Wirklich nicht .«
»Also gut .« Stan verzog das Gesicht und nickte ihm zu. »Wir hören morgen früh voneinander. Lassen Sie es uns wissen, falls sich hier bei Ihnen etwas tun sollte .«
Garret begleitete ihn durch die marmorne Vorhalle hinaus bis zum Wagen. Stan fuhr los und gab Gas, um die Fotos bald der Presse zu übergeben. Im Rückspiegel sah er Garret einsam und verlassen auf dem Bürgersteig stehen.
4
Chase erwachte, als das erste Morgenlicht durch die Vorhänge des Motelzimmers fiel. Angetrieben von dem Instinkt, immer in Bewegung zu bleiben, setzte er die Füße auf den Boden. Die beiden dunklen Bündel im Bett neben ihm schliefen dagegen friedlich – endlich. Sara hatte sich bis spät in die Nacht herumgewälzt, deshalb brachte er es jetzt nicht übers Herz, sie zu wecken.
Er zog Shorts und ein T-Shirt an, schnürte seine Laufschuhe zu und putzte sich die Zähne. Als Chase nach der Hundeleine griff, wedelte Jesse mit dem Schwanz. Lust auf eine Runde, Junge ?
Vielleicht bildete Chase sich ja bloß ein, dass Garret ihm bereits auf den Fersen war. Am ehesten konnte er sich mit einem Blick in die Morgenzeitung Gewissheit verschaffen. Und das ließ sich gut mit einem kleinen Dauerlauf verbinden.
Also steckte Chase Geld sowie den Schlüssel ein und trat hinaus in die frische Bergluft. Die Hügel waren ins Licht der Morgendämmerung getaucht. Je höher die Sonne am Himmel stieg, desto heller leuchteten sie.
»Los !« , rief Chase seinem Labrador zu, und sie liefen über den Parkplatz. Bei dem schnellen, gleichmäßigen Tempo fiel die Anspannung ein wenig von ihm ab.
Noch nie hatte er für jemanden seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Dass er es nun doch tat, lag vermutlich an seiner Abneigung gegenüber Captain Garret. Angesichts der arroganten Art des Mannes hatte Chase sich während des Militärgerichtsprozesses im vergangenen Jahr eine schmachvolle Niederlage für die Anklagevertretung gewünscht – was nicht heißen sollte, dass Rache jemals ein Beweggrund für ihn gewesen wäre.
Der Himmel verfärbte sich buttergelb, als Chase eine mit Gras bewachsene Anhöhe hinauflief und mit Jesse eine wenig befahrene Kreuzung überquerte. Vor dem Super Kmart warf er fünfundsiebzig Cent in den Zeitungsautomaten und entnahm ihm schwungvoll ein Exemplar. Als er sie aufschlug, fiel sein Blick sofort auf den Artikel, der die ganze untere Hälfte der Titelseite einnahm, und sein Herz setzte für einen Schlag aus.
AMBER ALERT IM FALL KENDAL GARRET . Darunter prangten drei Fotos. Eines zeigte Kendal, eines Sara und das dritte ein Phantombild ihres Entführers. Oh fuck !
Chase hielt die Zeitung so, dass die Sonne voll auf die Seite schien. »Jesse, sitz !« , befahl er, als der Hund an irgendwelchem Abfall
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