Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
mit sich selbst beschäftigt, um ihn zu bemerken.
Er holte das Handy heraus, drückte den Knopf für die Menüauswahl und rief ihre Nummer auf. Dann öffnete er ihr privates Telefonbuch, zog eine fingergroße Digitalkamera hervor und fotografierte die Liste ab, bis er sämtliche Namen und Nummern ihres Bekanntenkreises besaß. Er steckte das Handy zurück, winkte dem Baby zum Abschied und setzte sich wieder in seinen Wagen.
Sofort sah er sich die Aufnahmen an. Er hatte jetzt ihren Namen und ihre Adresse und wusste, dass sie mindestens drei Kinder hatte und verheiratet war. Das Zeitschriftenabo lief auf Jean und Harold Robinson. Außerdem hatte er ihre Telefonnummern und die Namen und Nummern zahlreicher Leute, die von Bedeutung für sie waren, sowie einen Abdruck ihres Haustürschlüssels.
Sie und ihre reizende Familie gehörten jetzt ihm.
Die Frau kehrte zum Van zurück, stieg ein und fuhr los. Er beobachtete, wie sie den Parkplatz verließ, ohne zu ahnen, dass er binnen weniger Minuten einen tiefen Einblick in ihr Privatleben erhalten hatte. Er winkte ihr zum Abschied.
Vielleicht sehen wir uns wieder, wenn du großes Pech hast.
Er blickte auf die Uhr. Drei potenzielle Opfer in weniger als zwanzig Minuten. Tief atmete er die frische Luft des wohlhabenden Städtchens Wrightsburg ein, das in kürzester Zeit eine Serie von drei brutalen Morden erlebt hatte.
Die Menschen ahnten nicht, dass es erst der Anfang gewesen war.
KAPITEL 9
Das Leichenschauhaus von Wrightsburg lag an einer ruhigen, von Bäumen gesäumten Straße ungefähr drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Es war in einem kleinen, einstöckigen Gebäude untergebracht, das mit einer Bepflanzung aus dem Gartencenter versehen war; die Pflanzen waren im feuchten Wetter der letzten Zeit prächtig gediehen. Von außen wirkte das Gebäude völlig normal. Wer hier vorbeikam, wäre nie darauf gekommen, dass in diesem Haus Leichen geöffnet wurden. Ein Schild auf dem Platz neben dem Gebäude wies darauf hin, dass sich hier außerdem die Arztpraxis von Dr. Sylvia Diaz befand.
King steuerte seinen Lexus auf den Parkplatz; dann stiegen er und Michelle aus. Kurz darauf hielt neben ihnen ein Streifenwagen der Polizei, und Polizeichef Williams wuchtete seinen massigen Körper hinaus. Er machte keinen glücklichen Eindruck, als er sein Hemd in die Hose stopfte und den Sitz seiner Pistole überprüfte.
»Bringen wir’s hinter uns«, brummte er und marschierte voraus.
»Was ist mit ihm?«, flüsterte Michelle.
»Ich vermute, es gefällt ihm nicht, sich Leichen ansehen zu müssen.«
Sie fragten am Empfang nach Sylvia Diaz. Die Sekretärin telefonierte kurz, worauf ein schlanker Mann mit Brille erschien. Er war Ende zwanzig, trug einen Spitzbart und war in einen Medizinerkittel gekleidet. Er stellte sich als Kyle Montgomery vor, Sylvias Assistent.
»Sie ist gleich fertig«, sagte er mit gelangweilter Stimme, obwohl er Michelle mit Blicken verschlang. »Sie hat gesagt, ich soll Sie in ihr Büro bringen.«
»Wie lange arbeiten Sie schon hier?«, fragte King.
Montgomery sah ihn mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen an. »Was spielt das für eine Rolle?«
»Ich bin bloß neugierig«, sagte er.
»Und ich habe das Recht auf meine Privatsphäre«, gab Montgomery zurück.
»Ich wette, Sie waren an der UVA«, sagte Michelle. »Eine ausgezeichnete Hochschule«, fügte sie lächelnd hinzu und trat ein Stück näher an ihn heran.
King beobachtete amüsiert, wie seine Partnerin ihren weiblichen Charme einsetzte, um Montgomery weitere Informationen zu entlocken. Das tat sie nur selten, aber es konnte sehr wirkungsvoll sein. Montgomery wusste vermutlich gar nichts Wichtiges, aber es war nicht verkehrt, Informationen über sämtliche Personen zu haben, die auf irgendeine Weise an den Ermittlungen beteiligt waren.
Montgomery wandte ihr sofort seine gesamte Aufmerksamkeit zu. »Ja, ich habe meinen Abschluss mit einem guten Schnitt gemacht«, prahlte er. »Ich wollte in der Gegend bleiben, also arbeitete ich ein paar Jahre lang am Uni-Krankenhaus, bis ich meine Zulassung als medizinischer Assistent bekam. Aber dann musste ich mit dem Onkologie-Praktikum aufhören und konnte meine Rechnungen nicht mehr bezahlen, als plötzlich diese Stelle angeboten wurde. Tja, und jetzt bin ich pathologischer Assistent. Dafür danke ich dir, Gott«, fügte er sarkastisch hinzu.
»Für diese Art von Arbeit muss man sehr spezielle Voraussetzungen mitbringen«, sagte Michelle.
»Das
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