Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
sie am linken Knöchel trug. Ein faszinierendes Detail , dachte er.
Der Wagen trug einen Aufkleber der amerikanischen Anwaltsvereinigung aus dem laufenden Jahr, was darauf hindeutete, dass sie tatsächlich Juristin war. Und sie war Single, da sie keinen Ehering trug. Und gleich rechts neben dem Aufkleber befand sich die Parkerlaubnis für ein sehr teures Wohnviertel, das etwa drei Kilometer von hier entfernt lag. Er nickte zufrieden. Diese Aufkleber waren äußerst informativ.
Er suchte sich einen Parkplatz, stieg aus dem Käfer, ging zum Abfallbehälter, tat so, als würde er etwas hineinwerfen, und nahm mit der gleichen Handbewegung den Auszahlungsbeleg heraus. Die Frau hätte es eigentlich besser wissen müssen. Sie hätte genauso gut ihre Einkommenssteuererklärung herumliegen lassen können. Jetzt war sie völlig nackt. Er konnte alles über sie in Erfahrung bringen, was er wissen wollte.
Als er zu seinem Wagen zurückkehrte, warf er einen Blick auf den Beleg. Ihr Name war mit D. Hinson angegeben; aber das konnte er später im Telefonbuch nachschlagen. Sie musste auch im Branchenbuch stehen, wodurch sich herausfinden ließ, in welcher Anwaltskanzlei sie arbeitete. Damit hatte er bereits zwei potenzielle Angriffspunkte. Neuerdings ließen die Banken einen Teil der Kontonummer weg, weil sie wussten, dass ihre Kunden ständig die Dummheit begingen, ihre Belege fortzuwerfen, wodurch Leute wie er leichtes Spiel hatten. Doch das Geld der Frau interessierte ihn gar nicht; ihm ging es um etwas viel Persönlicheres.
Entspannt genoss er die zunehmend wärmere Sonne. Es schien ein angenehmer Tag zu werden. Er lehnte sich im Sitz zurück und blickte erst wieder auf, als rechts von ihm eine typische Ganztagsmutter ihre Einkäufe in einen Van lud. Er musste nicht lange raten, da sie ein T-Shirt trug, das unmissverständlich ihren Status verkündete. Ein Kleinkind saß auf dem Rücksitz. Ein grüner Sticker am Heck teilte aller Welt mit, dass die Besitzerin die Mutter eines Schülers war, der es auf die Bestenliste des laufenden Schuljahrs an der Wrightsburg Middle School geschafft hatte.
Gut zu wissen , dachte er. Ein Kind in der siebten oder achten Klasse und ein Baby. Er fuhr in die Parkbucht neben dem Van und wartete. Als die Frau den Einkaufswagen zurückbrachte, ließ sie ihren Säugling völlig unbeaufsichtigt.
Er stieg aus seinem Käfer, beugte sich durch das offene Fenster auf der Fahrerseite und sah das Kind lächelnd an, das zurückgrinste und gluckste. Im Van sah es ziemlich chaotisch aus. Wahrscheinlich herrschte im Haus dieser Frau eine ähnliche Unordnung. Wenn sie eine Alarmanlage hatte, war diese vermutlich nie eingeschaltet. Wahrscheinlich dachte die Frau auch nie daran, sämtliche Türen und Fenster zu verschließen. Es verwunderte ihn immer wieder, dass die Verbrechensrate in diesem Land, in dem Millionen Idioten genauso blind wie diese Frau durchs Leben tappten, nicht deutlich höher war.
Auf dem Rücksitz lagen ein Algebra-Lehrbuch, das ohne Zweifel dem Musterschüler gehörte, und ein Bilderbuch für Kinder. Also gab es zumindest noch ein drittes Kind. Diese Schlussfolgerung wurde durch ein Paar Tennisschuhe mit Grasflecken im hinteren Fußraum bestätigt. Die Schuhe schienen einem fünf- oder sechsjährigen Jungen zu gehören.
Der Mann sah sich auf dem Fahrersitz um. Da war es: eine Ausgabe der Zeitschrift People . Er blickte auf. Die Frau hatte soeben den Einkaufswagen in die Schlange zurückgeschoben und unterhielt sich jetzt mit jemandem, der gerade aus dem Geschäft kam. Der Mann griff nach der Zeitschrift. Auf dem Versandetikett waren Name und Adresse angegeben. Ihre Telefonnummer hatte er sich längst notiert, da die Frau sie freundlicherweise auf dem Zettel mit der Aufschrift »Zu verkaufen« angegeben hatte.
Noch ein Volltreffer. Ihre Schlüssel steckten im Zündschloss. Der Mann drückte die Hausschlüssel, die ebenfalls am Bund hingen, in ein Stück Kitt, um einen Abdruck zu erhalten. Ein Einbruch wurde viel einfacher, wenn man gar nicht einbrechen, sondern nur eintreten musste.
Und noch ein Hauptgewinn. Ihr Handy steckte in der Halterung. Der Mann schaute auf und sah, dass die Frau noch immer tratschte. Er hätte ohne Schwierigkeiten ihr Baby töten, ihre sämtlichen Einkäufe stehlen und den Wagen in Brand setzen können – die Frau hätte es erst bemerkt, wenn andere Leute die Flammen gesehen und geschrien hätten. Er blickte sich um. Die Leute in seiner Nähe waren viel zu sehr
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