Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
Außerdem könntest du gar nichts beweisen.«
»Stimmt«, bestätigte King. »Zurzeit jedenfalls nicht. Aber ich werde nicht lockerlassen, bis ich alles beweisen kann. Und ich hoffe, dass dir bis dahin die Gewissensbisse das Leben vermiesen.«
KAPITEL 101
King und Michelle gingen an Bord der kleinen Maschine nach South Carolina. Vom dortigen Flughafen war es eine Stunde Autofahrt zu dem Hochsicherheitsgefängnis, in dem Eddie einsaß und den Rest seines Lebens verbringen sollte. Als King ihn besuchte, zog Michelle es vor, draußen zu warten.
Vier kräftige Wärter, die Eddie nicht aus den Augen ließen, obwohl er Ketten trug, führten ihn herein. Die Haare waren ihm bis auf die Kopfhaut geschoren worden, und an Gesicht und Händen sah King Narben und Verletzungen, von denen er wusste, dass sie nach Eddies Einlieferung ins Gefängnis entstanden waren. King fragte sich, wie viele weitere Wunden sich wohl unter Eddies Sträflingsoverall verbergen mochten. Zolldickes Plexiglas trennte ihn von Eddie. King war über sämtliche Regeln informiert worden, die Besucher zu beachten hatten, darunter die, plötzliche Bewegungen zu vermeiden oder körperlichen Kontakt zum Häftling aufzunehmen.
King wusste, dass es ihm keine Mühe bereiten würde, diese Vorschriften einzuhalten.
»Ich könnte Sie jetzt fragen, wie es Ihnen geht, aber ich sehe es ja selbst.«
Eddie zuckte die Schultern. »Es ist gar nicht so schlimm. Im Grunde sind es altbekannte Verhältnisse. Töten oder getötet werden. Ich weile noch unter den Lebenden.« In seinem Blick lag Verwunderung. »Ich hätte nicht damit gerechnet, Sie wiederzusehen.«
»Ich habe noch ein paar Fragen an Sie. Außerdem habe ich Ihnen etwas zu sagen. Was möchten Sie zuerst?«
»Erst die Fragen. Die Leute hier haben kaum welche. Die meiste Zeit verbringe ich in der Bibliothek, im Fitnessraum und mit Ballspielen. Ich versuche, ein paar Jungs zu einem Team zu formen. Malen darf ich leider nicht. Vermutlich haben die hier Angst, ich könnte jemanden in einem Farbeimer ersäufen. So ein Quatsch.«
»Erste Frage: War der Schlaganfall Ihres Vaters für Sie der Auslöser für die Mordserie?«
Eddie nickte. »Ich hatte schon längere Zeit daran gedacht. Nur hatte ich meine Zweifel, ob ich den Mumm dafür habe. Doch als mein Alter dann aus den Latschen kippte, rastete bei mir irgendwas aus, und ich sagte mir, jetzt oder nie.«
»Zweite Frage: Warum musste Steve Canney sterben? Anfangs dachte ich, Sie hätten es für Ihre Mutter getan, aber inzwischen weiß ich, dass es nicht so war.«
Eddie rückte sich auf seinem Stuhl zurecht, und die Ketten rasselten. Einer der Wärter schaute herüber. Eddie lächelte und winkte, bevor sein Blick wieder King traf. »Meinen Bruder haben unsere Eltern krepieren lassen, und mein Alter geht hin und zeugt mit irgendeiner Schlampe einen weiteren Sohn. Ich wollte und brauchte keinen neuen Bruder. Dieser Canney war zu einem gesunden und kräftigen Burschen herangewachsen. Aber so hätte es mit Bobby sein sollen, verstehen Sie? So hätte es Bobby verdient gehabt.« Seine Stimme war lauter geworden, und nun schauten alle vier Wärter ihn an. King hätte nicht sagen können, ob er sich mehr vor ihnen fürchtete oder vor Eddie.
»Dritte Frage: Heute weiß ich, dass es Ihnen egal war, ob Junior Deaver Ihre Mutter bestohlen hatte oder nicht. Stellt sich also die Frage, weshalb Sie ihn ermordet haben.«
»Beim Einbruch wurde eine Zeichnung meines Bruders zerrissen.«
»Ihre Mutter hat sie mir gezeigt.«
»Die Zeichnung ist entstanden, bevor Bobby erkrankte.« Eddie schwieg kurz und legte die geketteten Hände vor sich auf die Holzplatte. »Die Zeichnung war mir lieb und teuer. Ich wollte sie in Mutters Zimmer haben, um sie stets daran zu erinnern, was sie getan hatte. Als ich die Beschädigung sah, wusste ich sofort, dass ich den Drecksack umbringen musste, der das getan hatte.«
»Das alles hat Remmy schwer getroffen, obwohl sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen.«
»Ach, Scheiße. Sie soll froh sein, dass ich zu viel Anstand habe, auch sie fertig zu machen.«
»Haben Sie wegen Chip Bailey den Plan ausgeheckt, berüchtigte Serienmörder nachzuahmen?«
Eddie feixte. »Der alte Chippy… Pausenlos hat er geprahlt, wie viel gerissener als jeder andere er doch wäre und was er nicht alles über Serienmörder wüsste und über ihr Profil. Er hat behauptet, er könne selbst den abgezocktesten Hurensohn zur Strecke bringen. Tja, da hab ich ihn beim
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