Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
Schlussfolgerung: Der Mörder gab den ersten Schuss durch die Frontscheibe ab. Wenn man nur die Wunde betrachtet, könnte man meinen, dass der Abstand zwischen Waffe und Opfer wesentlich größer war. Aber ich glaube, dass die Mündung der Schrotflinte sich unmittelbar vor der Windschutzscheibe befand, als die Waffe abgefeuert wurde, oder in einer Gesamtentfernung von etwa einem Meter zum Opfer. Die Eintrittswunde im Rücken weist die charakteristischen Bogenränder auf, und es gibt zusätzliche sekundäre Einschüsse, da einzelne Schrotkugeln weiter von der Hauptmasse abgewichen sind. Da die Ladung zuerst das Glas durchschlagen hat, scheint der Schuss aus größerer Entfernung abgegeben worden zu sein, als es tatsächlich der Fall war.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum das Mädchen mit dem Rücken zur Windschutzscheibe saß?«
»Sie hatte Sex mit dem Jungen«, sagte Sylvia. »In ihrer Vagina befanden sich Rückstände der Spermizidbeschichtung des Kondoms, das Steve Canney benutzt hat. Wahrscheinlich saß sie auf seinem Schoß, als es geschah, mit dem Rücken zur Windschutzscheibe. Das ist eine übliche Stellung für den Verkehr im beengten Innenraum eines Autos. Ihr Körper hat Steve vor dem Schuss abgeschirmt, andernfalls wäre er ebenfalls durch die erste Patrone getötet worden.«
»Sind Sie sicher?«
»Insgesamt wurden zwei Patronen abgefeuert. Das zeigt die Anzahl der gefundenen Schrotkugeln. Neun in jeder Leiche. Die Symmetrie des Todes.«
»Ich vermute, es wurden keine leeren Patronen gefunden.«
Sylvia schüttelte den Kopf. »Entweder hat der Mörder die ausgeworfenen Patronen eingesammelt, oder es war keine Pumpgun, sondern eine Waffe, aus der die abgefeuerten Hülsen manuell entfernt werden müssen.«
»Wenn es eine Schrotflinte mit glattem Lauf war, besteht wohl keine Möglichkeit, eine ballistische Untersuchung vorzunehmen, falls wir eine mutmaßliche Tatwaffe finden.«
»Manchmal hinterlassen Unregelmäßigkeiten am Ende des Laufs Kratzspuren am Plastikpfropfen. Das ist hier der Fall. Ich bin keine Expertin für Ballistik, aber die Polizei könnte in der Lage sein, Vergleiche anzustellen. Außerdem können wir die Kugel aus Rhonda Tylers Leiche für eine Analyse verwenden.«
»Es gab die Vermutung, dass die Schrotladung, die Steve Canney getötet hat, dazu geführt haben könnte, dass seine Uhr stehen geblieben ist, was ein Hinweis auf den Todeszeitpunkt wäre.«
»Nein. Die Uhr wurde ihm post mortem angelegt. Sie blieb stehen, weil das Rädchen herausgezogen wurde. Das ist mir bereits am Tatort aufgefallen. Ich fand ein Stück Glas in seinem linken Handgelenk, genau dort, wo sich die Uhr hätte befinden müssen.«
»Irgendeine Idee, warum die Uhr ihm nach seinem Tod angelegt wurde?«
»Vielleicht als Visitenkarte? Ich habe gesehen, dass sie auf drei Uhr stand. Die Armbanduhr des Mädchens war auf etwa zwei Uhr eingestellt. Wenn das ein Zeichen sein soll, würde es die Reihenfolge ihres Todes bestätigen.«
»Und Rhonda Tyler trug eine Uhr, die ebenfalls nicht ihr gehörte und die auf ein Uhr stand. Und es war eine Zodiac.«
Sylvia sah sie an. »Und nun haben wir einen Brief im Zodiac-Stil.«
»Und drei Mordopfer.«
»Also dürften die Zeiger beim nächsten Mal auf vier Uhr stehen.«
»Wenn es ein nächstes Mal gibt.«
»Daran besteht wenig Zweifel«, sagte Sylvia. »Das erste Opfer war Tänzerin in einem Nachtclub. Die nächsten beiden waren Jugendliche, die es im Auto miteinander getrieben haben. Serienmörder konzentrieren sich für gewöhnlich auf einen Personenkreis mit einem gemeinsamen Merkmal. Aber dieser Kerl hier hat uns jetzt schon bewiesen, dass er sich nicht an die Regeln hält.« Sie überlegte kurz und fügte dann hinzu: »Also lautet die eigentliche Frage: Wer wird das nächste Opfer sein?«
KAPITEL 13
Der blassblaue VW Käfer fuhr langsam am Polizeirevier vorbei und hielt an der Kreuzung. Der Fahrer blickte zu dem einstöckigen Gebäude hinüber. Inzwischen musste die Polizei den Brief erhalten haben. Vielleicht war die Botschaft sogar schon entziffert worden. Er hatte es den Ermittlern schließlich nicht allzu schwer gemacht. Das würde sich später ändern, wenn sie versuchten, ihn aufzuhalten. Keine Chance, Bulle.
Nun würden sie das Morddezernat der State Police einschalten. Man würde versuchen, die Angelegenheit unter Verschluss zu halten, um keine Panik in der Bevölkerung auszulösen. Zweifellos würde man auch einen Antrag auf Erstellung eines Profils an
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