Sean King 03 - Im Takt des Todes
nichts.«
»Und was wäre das für eine Wahrheit?«
»Dass du wahnsinnig bist!«
Valerie wandte sich dem Wachmann zu. »Geht eine Stufe höher. Nehmt ihn richtig hart ran.«
Ehe der Wachmann reagieren konnte, öffnete sich die Zellentür, und ein anderer Mann im Anzug kam herein, gefolgt von zwei Bewaffneten.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte Valerie schroff.
Der Mann im Anzug antwortete: »Ian Whitfield hat mich geschickt, um Ihnen Instruktionen zu erteilen.«
»Instruktionen von Whitfield? Er hat keinerlei Autorität über mich.«
»Whitfield vielleicht nicht, aber diese Person hier.« Er reichte Valerie eine Notiz. Während sie den Zettel überflog, wusste Sean, der sie aufmerksam beobachtete, was gerade geschehen war: Valerie war soeben zum Sündenbock in einer typischen Washington-Intrige geworden, die jeder, der am Beltway arbeitete, sofort erkannte, die dem Normalbürger jedoch völlig unbekannt war.
Valerie faltete das Papier zusammen und steckte es in ihre Tasche.
Einer der Wachleute trat vor, drehte Valerie um und legte ihr Handschellen an. Als sie abgeführt wurde, warf sie noch einen Blick auf Sean. Ihre Positionen hatten sich soeben umgekehrt, und Sean hatte nicht die Absicht, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Mit angestrengter, jedoch klarer Stimme sagte er: »Du solltest dir lieber einen verdammt guten Anwalt holen, Lady. Du wirst ihn brauchen.«
91.
A m nächsten Tag wurden Sean und Michelle getrennt in ein Privatkrankenhaus geflogen, wo sie offenbar die einzigen Patienten waren. Sie hatten keine Ahnung, wo sich dieses Krankenhaus befand, und niemand wollte ihre Fragen beantworten. Allerdings ließ man ihnen erstklassige Pflege zuteil werden. Nach mehreren Tagen voll langem, ununterbrochenem Schlaf, gefolgt von zwei Wochen gutem Essen und leichten Leibesübungen waren beide wieder so gut wie neu.
Die Ärzte hatten Sean und Michelle getrennt voneinander behandelt und sich geweigert, dem einen vom anderen zu erzählen. Schließlich hielt Sean es nicht mehr aus. Er schwang einen Stuhl vor einer verängstigten Krankenschwester und einem Pfleger und verlangte, endlich Michelle sehen zu dürfen. »Sofort!«, rief er.
Als Sean in ihr Zimmer kam, saß sie am Fenster und blickte in einen deprimierend grauen Himmel hinaus. Als hätte sie seine Gegenwart gefühlt, drehte sie sich um, rief »Sean!« und lief zu ihm. So standen sie in der Mitte des Zimmers und klammerten sich zitternd aneinander.
»Sie … Sie wollten mir nichts über dich erzählen«, begann Michelle, und Tränen traten ihr in die Augen.
»Und ich wusste nicht mal, ob du noch lebst«, entgegnete Sean leise. »Aber jetzt ist es vorbei, Michelle. Wir sind in Sicherheit. Und sie haben Valerie verhaftet.«
»Haben sie dich in den Sarg gesteckt?«, fragte Michelle.
»Mehr als einmal. Sie haben gesagt, du hättest nie geweint.«
»Oh, ich habe geweint, Sean. Glaub mir.« Sie schaute wieder zum Fenster hinaus. Darunter befand sich ein Blumenbeet, doch die Blumen waren bereits verblüht und ließen die Köpfe hängen. »Ich habe sehr viel geweint«, fügte sie hinzu.
»Es tut mir leid, Michelle.«
»Was tut dir denn leid? Man hat dich genauso behandelt wie mich.«
»Es war meine Idee, über den Zaun zu steigen.«
»Ich bin ein großes Mädchen, Sean. Ich hätte dich auch allein gehen lassen können.«
»Ich weiß, warum du das nicht getan hast«, sagte er. »Ich weiß.«
Und dann saßen sie am Fenster und schauten sich die toten Blumen an.
Nachdem Sean und Michelle sich ausreichend erholt hatten, flog man sie in einem Privatjet an einen anderen Ort, und weiter ging es in einem Wagen mit abgedunkelten Scheiben in eine unterirdische Garage, von wo aus man sie über einen Sicherheitsaufzug in ein riesiges Büro brachte, in dem nur drei Stühle standen. Während zwei muskulöse Kerle mit Waffen unter den Jacketts draußen warteten, setzten Sean und Michelle sich einem kleinen, dünnen, tadellos gekleideten Mann mit weißem Haar und schmaler Brille gegenüber. Der Mann legte die Finger aneinander und schaute die beiden mitfühlend an.
»Zunächst einmal möchte ich mich im Namen der Regierung offiziell entschuldigen für das, was Ihnen widerfahren ist.«
Sean entgegnete zornig: »Seltsam. Ich dachte, es wäre unsere Regierung gewesen, die versucht hat, uns zu töten.«
»Eine Regierung und ihr Apparat sind bisweilen schwer zu überschauen, Mr. King. Von Zeit zu Zeit überschreitet jemand die Grenzen«, entgegnete der
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