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Sean King 03 - Im Takt des Todes

Titel: Sean King 03 - Im Takt des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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tatsächlich, sich umzubringen.«
    Michelle ließ ihren Blick über die Frau wandern. Sie war Ende vierzig und hatte blondes, perfekt gestyltes Haar, feine Wangenknochen, strahlende haselnussbraune Augen und einen üppigen Busen. Ihr Make-up und ihre Fingernägel waren makellos. Obwohl sie nur eine schlichte Khakihose, Tennisschuhe und einen lila Sweater mit V-Ausschnitt trug, besaß sie die Aura einer Frau, die wesentlich teurere Dinge im Leben gewöhnt war. Sie sprach mit schwerem Südstaatenakzent.
    »Und weshalb sind Sie hier?«, wollte Michelle wissen.
    »Wegen Depressionen und Suizidgefahr. Mein Psychiater sagt immer, jedermann sei depressiv. Aber ich glaube ihm nicht. Wenn jeder sich so fühlen würde wie ich … Jedenfalls glaube ich ihm einfach nicht. Ich glaube, meine Chemie ist ein bisschen aus dem Gleichgewicht geraten. Heutzutage gibt das fast jeder als Grund für Depressionen an.«
    »Ich bin sicher, Sie kriegen das in den Griff.«
    »Hoffen wir’s. Und Sie? Sind Sie sicher, dass Sie nicht hier sind, weil Sie sich vor irgendetwas drücken wollen?«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Dass ein physisches Trauma bewirken kann, dass man sich vor der Außenwelt abschirmt, indem man sich ganz in sich selbst zurückzieht.«
    »Ja, aber es gibt auch ganz praktische Gründe. Wenn jemand sich vor Gericht auf einen psychischen Ausnahmezustand beruft oder ein Trauma geltend macht, kann es hilfreich sein, wenn er an einem Ort wie diesem landet. Außerdem bekommt man hier ein Bett, drei Mahlzeiten am Tag und so viele Pillen, wie man will. Dann erklärt irgendein Seelenklempner dem Richter, dass Sie ’ne Macke haben und wie die sich äußert – und schon wird vor Gericht ein Vergleich geschlossen, und Sie sind aus dem Gröbsten raus.«
    »Das ist Betrug.«
    »Es sei denn«, entgegnete Sandy, »man ist wirklich durchgeknallt, so wie ich.«
    Michelle schaute auf die Beine der Frau. »War das ein Unfall?«
    »Eine Kugel aus einer Glock hat mich ins Rückgrat getroffen«, antwortete Sandy in sachlichem Tonfall. »Seitdem bin ich irreversibel gelähmt. Im Bruchteil einer Sekunde wurde aus der aktiven, sportlichen Sandy ein armer Krüppel.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    »Sind Sie deshalb suizidgefährdet? Weil Sie gelähmt sind?«
    »Mit der Lähmung habe ich mich abgefunden. Aber es gibt andere Dinge, die ich nicht so leicht verkraften konnte«, fügte Sandy geheimnisvoll hinzu.
    »Was für andere Dinge?«, hakte Michelle nach.
    »Darüber will ich nicht reden. Wie ist es bei Ihnen? Glauben Sie, dass Sie es schaffen? Dass Ihr Zustand sich bessert?«
    Michelle zuckte mit den Schultern. »Um das zu sagen, ist es noch zu früh. Körperlich fühle ich mich okay.«
    »Sie sind jung und hübsch. Sobald Ihre Wunden verheilt sind, können Sie Ihr Leben wieder in den Griff kriegen.«
    »Und wie?«
    »Besorgen Sie sich einen Mann mit Geld, und lassen Sie ihn für Sie sorgen. Nutzen Sie Ihr Aussehen – deshalb hat Gott es Ihnen ja gegeben. Und vergessen Sie nicht, sich abzusichern. Lassen Sie sich nichts erzählen von wegen, es wäre ›sein‹ Geld.«
    »Sie hören sich an, als würden Sie aus Erfahrung sprechen.«
    Sandy schauderte. »Verdammt, ich wünschte, die würden einen hier drin rauchen lassen. Aber die sagen, Nikotin sei ein Suchtmittel. Ich gäbe Gott weiß was für ’ne Kippe.«
    »Sie wollen doch hier sein, oder?«, fragte Michelle.
    »Oh, wir wollen alle hier sein, Süße.« Sandy lächelte und schob sich zwei Stück Spargel in den Mund.
    Barry kam vorbei. Er half einem jungen Mann, der an Krücken ging.
    Michelle nickte in seine Richtung. »Kennen Sie diesen Pfleger?«
    Sandy musterte ihn einen Augenblick lang. »Nein, aber in dem Fall kann man das Buch schon am Umschlag erkennen.«
    »Wo kommen Sie her, Sandy?«
    »Meine Heimat ist jedenfalls nicht der Ort, an dem mein Herz ist«, antwortete Sandy ausweichend. »Tja, ich muss jetzt gehen. Ich fürchte, da ist ’ne Migräne im Anflug, und ich mag es nicht, wenn die Leute mich dann sehen, weil sie dann vielleicht ihre Meinung über die alte Sandy ändern.«
    Sie nickte Michelle zu und fuhr im Rollstuhl davon.
    Michelle beendete ihr Mittagessen und vertrat sich ein wenig die Beine, wobei sie an Sandys Privatzimmer vorbeikam, sodass sie einen Blick durch das kleine Plexiglasfenster in der Tür werfen konnte. Sandy schien zu schlafen. Michelle ging weiter den Gang hinunter und blieb vor der verschlossenen Tür der

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