Sean King 03 - Im Takt des Todes
wieder das allseits beliebte Team der sich anziehenden Gegensätze.«
»Ich freue mich schon darauf.«
»Ich mich auch.«
Nun war Sean auf dem Weg nach Babbage Town, allein, und bereute mehr denn je, dass Michelle nicht bei ihm war. Doch seine Partnerin hatte noch einen langen Weg vor sich, wollte sie wieder gesund werden, und in Gedanken beschäftigte Sean sich immer wieder mit der Möglichkeit, dass das vielleicht nie geschehen würde.
Als sie am York River vorbeifuhren, flatterten Vögel auf; gleichzeitig sprang ein halbes Dutzend Hirsche über die Straße. Der Fahrer trat kaum auf die Bremse. Die Flanke des letzten Weißrückenhirschs kam der Stoßstange bis auf wenige Zoll gefährlich nahe. Sean sah schon ein Geweih durch die Windschutzscheibe krachen und ihn an das teure Leder der Hummersitze nageln.
»Das passiert hier um diese Jahreszeit alle naselang«, sagte der Fahrer gelangweilt.
»Was sollte das werden? Ein Instakill?«, entgegnete Sean gereizt.
Er schaute nach rechts, wo er den Fluss zwischen den Feldern hindurch sah. Dahinter konnte er undeutlich den glitzernden, von Stacheldraht gekrönten Zaun erkennen, der das Land auf der anderen Flussseite umschloss.
Sean wies mit dem ausgestreckten Arm zum anderen Flussufer. »Ist das da Camp Peary?«
»Das Geisterland der CIA . Sie nennen es ›Die Farm‹«, informierte ihn der Fahrer.
»Ich hatte ganz vergessen, dass das hier ist.« Sean wusste sehr wohl, dass es hier war, spielte jedoch den Unwissenden in der Hoffnung, ein paar einheimische Informationen zu bekommen.
»Die Leute hier in der Gegend vergessen das nie .«
»Und? Verschwinden hier nachts kleine Tiere und Kinder?«, fragte Sean mit einem Lächeln.
»Das nicht, aber was das Flugzeug angeht, mit dem Sie gekommen sind – Sie können darauf wetten, dass eine Bodenluftrakete von der Farm auf Sie gerichtet war, bis Sie gelandet sind. Wäre die Maschine versehentlich in die Sperrzone geflogen, wären Sie viel schneller runtergekommen, als Ihnen lieb gewesen wäre.«
»Da bin ich sicher. Diese Leute von der Farm sorgen bestimmt für ’ne Menge neue Jobs in der Gegend, oder?«
»Ja, aber sie nehmen sich auch viel.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Sean.
»Die Navy hat das als Erste gemacht. Als sie hierhergekommen sind, haben sie alle rausgeworfen.«
»Alle rausgeworfen?« Sean schaute verwirrt drein.
»Ja. Da drüben waren zwei Städte, Magruder und Bigler’s Mill. Meine Großeltern haben in Magruder gelebt. Während des Krieges hat man sie in die James City County gebracht. Nach dem Krieg ist die Navy dann gegangen, kam in den Fünfzigerjahren aber wieder. Seitdem darf keiner mehr da rein.«
»Interessant.«
»Na, für meine Großeltern war das nicht so ›interessant‹. Das Militär tut, was es will.«
»Sie sollten sich damit trösten, dass nun Ihr freundlicher Nachbar dort ist, die CIA , und Sie mit Ferngläsern beobachtet.«
Der Mann lachte, und Sean wechselte das Thema. »Haben Sie Monk Turing gekannt?«
Der Mann nickte. »Ja.«
»Und?«
»Er war wie alle anderen in Babbage Town. Eine Intelligenzbestie. Wir haben gar nicht dieselbe Sprache gesprochen.«
»Wie lange arbeiten Sie da schon?«
»Zwei Jahre.«
»Warum braucht man dort überhaupt einen Sicherheitsdienst?«
»Die arbeiten an verdammt wichtigen Sachen.«
»Was denn für Sachen?«
»Da fragen Sie den Falschen. Es hat irgendwas mit Zahlen und Computern zu tun. Vermutlich werden sie es Ihnen sagen, wenn Sie sich danach erkundigen.« Er lächelte. »Oh ja, die werden es Ihnen erklären … auf eine Art und Weise, die Sie niemals verstehen werden.« Der Fahrer deutete nach vorne. »Wir sind da. Willkommen in Babbage Town.« Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: »Ich hoffe, Sie werden Ihren Aufenthalt bei uns genießen.«
12.
W ährend Sean an seinem Fall arbeitete, hatte Michelle es sich in den Kopf gesetzt, eigene Ermittlungen aufzunehmen. Nachdem sie sich in der Cafeteria ihr Tablett geholt hatte, ging sie zu dem Tisch, an dem die Frau im Rollstuhl zu Mittag aß. Michelle setzte sich neben sie, öffnete ihre Wasserflasche und schaute zu der Frau hinüber.
»Ich bin Michelle«, stellte sie sich vor.
»Ich bin Sandy«, erwiderte die Frau. »Weshalb sind Sie hier?«
»Man hält mich für selbstmordgefährdet«, antwortete Michelle rundheraus.
Die Frau verzog das Gesicht. »Das ist bei mir genauso. Schon seit Jahren. Aber den meisten gelingt es, darüber hinwegzukommen … es sei denn, es gelingt ihnen
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