Sean King 03 - Im Takt des Todes
durchgeknallt bin?«
»Okay, reden wir über ihn.«
Michelle lehnte sich zurück und stemmte die Fäuste in die Hüfte. »Eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen. Er sah gut aus, war nett und hatte einen interessanten Background. Seine Ehe war kaputt, und er hat versucht, das Beste daraus zu machen. Er war ein erfolgreicher Künstler und ein erstklassiger Sportler. In seiner Gegenwart habe ich mich gut gefühlt.« Spöttisch fügte sie hinzu: »Eigentlich war das einzig Negative an ihm, dass er ein Serienkiller war.«
»Und Sie können immer noch nicht glauben, dass Sie sich von einem solchen Mann so leicht hinters Licht haben führen lassen, stimmt’s?«
» Mir war so was jedenfalls noch nie passiert.«
»Vergessen Sie nicht, dass Serientäter berüchtigt dafür sind, andere Menschen hervorragend täuschen zu können. Das ist ein wesentlicher Teil ihrer Psychologie. Es macht sie zu dem, was sie sind. Es erlaubt ihnen, erfolgreich ihre Beute zu jagen. Ted Bundy gilt als Musterbeispiel für diese Theorie.«
»Wow, danke! Jetzt fühle ich mich schon viel besser.«
»Und wegen dieses einen Vorfalls haben Sie Jahre des beruflichen Erfolgs einfach weggeworfen? Halten Sie das für plausibel?«
»Es ist mir egal, ob es plausibel ist oder nicht. Es ist nun mal so.«
»Haben Sie ihn geliebt?«
Michelle überlegte kurz. »Ich glaube, ich hätte ihn mit der Zeit lieben können … und jedes Mal, wenn ich daran denke, möchte ich mir am liebsten die Pulsadern aufschneiden. Der Hurensohn hat versucht, mich umzubringen. Und er hätte es geschafft, wäre Sean nicht gekommen.«
»Sean der Retter. Sie waren ihm bestimmt sehr dankbar.«
»Natürlich. Was denken Sie denn?«
»Wie ich hörte, hatte Sean während dieser Zeit eine Beziehung.«
Gleichmütig antwortete Michelle: »Er ist ein erwachsener Mann. Er kann tun und lassen, was er will.«
»Aber nach dem zu urteilen, was er mir erzählte, hat sich auch bei ihm die Beziehung als … nun, als Fehler erwiesen.«
»Darauf können Sie wetten.«
»Halten Sie Sean für einen klugen Mann?«
»Er ist einer der klügsten Männer, denen ich je begegnet bin.«
»Trotzdem ist auch er getäuscht worden.«
»Aber er hat es herausgefunden. Ich dagegen war noch immer im Traumland.«
»Wie haben Sie empfunden? In Bezug auf Sean und diese Frau, meine ich.«
»Wie ich schon sagte, er ist ein erwachsener Mann.«
»Das habe ich Sie nicht gefragt.«
»Wie ich empfunden habe, wollen Sie wissen? Ich habe mich beschissen gefühlt!«, stieß Michelle hervor. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Haben Sie sich deshalb so schlecht gefühlt, weil er Ihnen die andere Frau vorgezogen hat?«
Michelle kniff die Augen zusammen. »Taktgefühl ist nicht gerade Ihre Stärke, was?«
»Da könnten Sie recht haben. Aber beantworten Sie meine Frage. Haben Sie so empfunden?«
»Nein. Ich habe es eher so gesehen, dass Sean sich zum Narren macht.«
»Wieso?«
»Sie war ein verdammtes Luder«, sagte Michelle. »Und eine Mörderin, obwohl wir das nie beweisen konnten.«
»Haben Sie die Frau schon als Mörderin verdächtigt, als Sean sich noch mit ihr getroffen hat?«
Michelle zögerte. »Nein … Nein, habe ich nicht. Sie hatte bloß irgendwas an sich, das mir nicht gefiel.«
»Dann haben Ihre Instinkte also auch bei dieser Frau recht gehabt.«
Michelle lehnte sich zurück. »Ja, stimmt. Darüber habe ich nie nachgedacht. Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Nun, deshalb bin ich hier. Ich will Ihnen helfen, über solche Dinge nachzudenken. Patienten tragen oft zum Heilungsprozess bei, ohne sich dessen bewusst zu sein.«
»Ich auch?«
»Ja.«
»Und wie?«
»Zum Beispiel durch diese Kneipenschlägerei. Ein Teil von Ihnen war auf der Suche nach jemandem, dem Sie wehtun oder den Sie gar töten konnten. Ein anderer Teil von Ihnen hat jemanden gesucht, der Ihnen wehtut oder Sie umbringt. Mit dem Erfolg, dass Rodney der Riese Sie halbtot geschlagen hat. Aber Sie haben es überlebt. Und ich glaube, dass Sie auch nicht wirklich die Absicht hatten, sich umzubringen.«
»Ach ja? Wie können Sie so sicher sein?«, fragte Michelle spöttisch.
»Weil Menschen, die wirklich sterben wollen, Methoden wählen, die ziemlich narrensicher sind.« Horatio zählte die Möglichkeiten an seinen Fingern ab. »Eine Kugel in den Kopf, Aufhängen, Gas im Ofen, Gift schlucken. Diese Leute wollen keine Hilfe. Sie wollen sterben, und das klappt dann auch meistens. Sie, Michelle, sind nicht gestorben, weil Sie es nicht
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