Sean King 03 - Im Takt des Todes
Arbeit ist der Krieg in Europa mindestens zwei Jahre früher zu Ende gegangen. Er war übrigens homosexuell. Gott sei Dank hat die Regierung das damals nicht herausgefunden. Sie hätten ihn sofort rausgeworfen, und dann hätten die Alliierten vielleicht den Krieg verloren, diese Dummköpfe! Doch nach dem Krieg wurde Turings Homosexualität entdeckt. Seine Karriere war ruiniert, weil es damals andere, dämliche Moralvorstellungen gab, und schließlich hat er Selbstmord begangen. All sein Talent war verschwendet – und das bloß deshalb, weil er auf Männer stand.«
»Sie haben von einer ›Turingmaschine‹ gesprochen.«
»Ja. Turing hat sich eine universelle Denkmaschine ausgedacht … ein besserer Begriff fällt mir nicht ein. Auch wenn sie sehr einfach aussieht, so kann ich Ihnen versichern, dass eine Turingmaschine mit den richtigen Befehlssätzen jedes Problem angehen kann. Alle heutigen Computer basieren auf dieser Idee. Niemand kann einen klassischen Computer erfinden, der vom Konzept her besser oder leistungsfähiger ist als eine Turingmaschine. Man kann allenfalls einen Computer bauen, der die einzelnen Schritte schneller ausführt.«
»Da ist schon wieder dieses Wort: klassisch. «
Champ griff zu einem langen, dünnen Glasröhrchen. »Und das ist das einzige Gerät auf der Welt, das potenziell stärker ist als eine Turingmaschine.«
»Sie haben mir dieses Ding schon bei unserer ersten Begegnung gezeigt, mir aber nicht genau erklärt, was das eigentlich ist.«
»Ich könnte es Ihnen sagen, aber Sie würden es nicht verstehen.«
»Kommen Sie schon. Ich bin nicht dumm«, erwiderte Sean gereizt.
»Das ist nicht der Punkt«, sagte Champ. »Sie würden es nicht verstehen, weil nicht einmal ich es richtig verstehe. Der menschliche Geist ist nicht dafür geschaffen, auf subatomarer Ebene zu funktionieren. Jeder Physiker, der Ihnen erklärt, er würde die Quantenwelt voll und ganz begreifen, ist ein Lügner.«
»Wir reden hier also über Quanten?«
»Genauer gesagt über subatomare Partikel, die über ein Rechenpotenzial weit jenseits der menschlichen Vorstellungskraft verfügen.«
»Das Ding sieht wirklich nicht nach viel aus«, bemerkte Sean mit einem Blick auf das Röhrchen.
Champ strich mit dem Finger darüber. »In der Computerwissenschaft heißt es: Auf die Kleinheit kommt es an. Im Los Alamos National Laboratory gibt es einen Supercomputer mit Namen Blue Mountain. Wie Sie ohne Zweifel wissen, hat jeder PC auf der Welt einen Chip. Dieser Chip ist das Gehirn des Computers, und er hat Millionen winziger Schalter, die in einer Sprache aus Einsen und Nullen miteinander reden. Blue Mountain hat über sechstausend Chips, was ihn zu einem Drei-TeraOP-Computer macht. Das bedeutet, er kann drei Trillionen Rechenoperationen in der Sekunde ausführen. Er wird benutzt, um die Folgen einer Nuklearexplosion zu simulieren, da die USA die verdammten Dinger ja nicht mehr in echt zünden – Gott sei Dank. Aber so leistungsfähig eine Drei-TeraOP-Maschine auch sein mag – es hat vier Monate gedauert, bis Blue Mountain auch nur eine Millionstel Sekunde einer Atomexplosion mathematisch nachvollzogen hat.«
»Das ist nicht gerade hyperschnell«, bemerkte Sean.
»Sie arbeiten an einem neuen Supercomputer, der Blue Mountain weit in den Schatten stellen wird – eine Dreißig-TeraOP-Maschine mit dem Codenamen Q. Sie soll mehr als einen Morgen Land einnehmen. Dieser Computer wird mehr Berechnungen pro Minute vornehmen können als ein Mensch mit einem Taschenrechner in einer Milliarde Jahre, und es gibt bereits Pläne, noch schnellere Rechner zu bauen. Doch all diese Computer sind vom Grundprinzip her nicht besser als eine Turingmaschine. Sie brauchen nur wesentlich mehr Platz und sind teurer im Unterhalt. Das war das Beste, wozu wir in der Lage waren.« Er hielt das Röhrchen in die Höhe. »Bis jetzt.«
»Wollen Sie mir sagen, das ist ein Computer?«
»In seinem jetzigen Zustand ist es ein rudimentäres Gerät, das ein paar Rechenaufgaben lösen kann, aber das ist nicht der Punkt. Wie gesagt, spricht ein Computer eine Sprache, die aus Einsen und Nullen besteht. Bei einem klassischen Computer heißt es entweder 1 oder 0. Beides zugleich ist unmöglich. In der Quantenwelt gelten diese Beschränkungen jedoch nicht. Tatsächlich kann ein Atom 1 und 0 zugleich sein, und darin liegt die Schönheit des gesamten Konzepts verborgen. Ein klassischer Computer geht ein Problem größtenteils linear an. Bei einem Quantencomputer
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