Sean King 03 - Im Takt des Todes
Wie soll ich das bei jemand anderem tun?«
»Du hast mir geholfen.« Michelle trat einen weiteren Schritt vor. »Du hast mir geholfen«, wiederholte sie, diesmal leiser. »Du bist keine Verbrecherin. Du bist kein Killer. Du bist ein guter Mensch. Lass ihn dir das nicht nehmen.«
Die Pistole zitterte ein wenig in Sandys Hand, doch dann fasste sie sich wieder, und ihre Stimme wurde ruhiger.
»Tut mir leid, Michelle. Du hast recht. Ich kann diesen Abschaum nicht töten, auch wenn er es verdient.«
»Ja, Sandy. Jetzt gib mir die Waffe.«
»Leb wohl, Michelle.«
»Was?«
Sandy hielt sich die Pistole an die Schläfe und drückte ab. Das Klicken hallte im Zimmer wider. Sandy drückte den Abzug noch einmal und noch einmal, doch keine Kugel kam aus dem Lauf, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Benommen starrte sie auf Michelle, als diese auf sie zukam und ihr die Waffe aus der Hand nahm.
»Ich habe die Kugeln längst rausgenommen.«
Sandy schaute verwirrt zu ihr hinauf. »Wie …? Woher hast du das gewusst?«
»Dreck auf deinen Fingern und Dreck auf dem Boden. Normalerweise wühlt niemand in einem Topf mit Blumenerde herum. Ich wusste, dass etwas da drin war.«
»Warum haben Sie die Waffe dann nicht einfach mitgenommen?«, knurrte einer der Cops. »Hätten Sie keine Gelegenheit gehabt, uns im Vorfeld Bescheid zu geben, dass das Magazin leer ist, hätten wir die Frau womöglich erschossen.«
Michelle nahm Sandys zitternde Hände in die ihren. »Ich dachte, sie müsse das vielleicht durchziehen, um besser mit ihrem Leben zurechtzukommen. Ich dachte, sie bräuchte das, um zu erkennen, wer sie ist und wer nicht … oder was nicht.« Michelle lächelte Sandy zärtlich an. »Manchmal ist das die beste Therapie.«
»Und du wusstest auch über Barry Bescheid?«, fragte Sandy.
»Dass er derjenige war, der deinen Mann erschossen hat, wusste ich nicht. Aber ich habe gesehen, wie du ihn beobachtet hast, und ich konnte fühlen, dass du irgendein Interesse an ihm hast. Das mit dem Zeugenschutzprogramm habe ich allerdings nicht gewusst.«
»He, du«, sagte Barry, plötzlich wieder selbstbewusst. »Ruf meinen Betreuer im Büro des Bundesmarshals an. Sein Name ist Bob Truman. Er sitzt in D. C. «
Michelle strahlte. »Bobby Truman?«
Barry schaute sie mit leeren Augen an. »Du kennst ihn?«
»Aber sicher. Ich habe zusammen mit seiner Tochter bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille gewonnen. Wenn ich ihm erzähle, was passiert ist, kannst du froh sein, wenn du vor deinem achtzigsten Geburtstag noch einmal Sonnenlicht siehst. Heute muss mein Glückstag sein.«
Sie brachten Barry weg. Er schrie und trat um sich. Als die Cops erklärten, sie wollten Sandy anzeigen, redete Michelle es ihnen aus. »Wollen Sie wirklich wegen so einer Kleinigkeit den ganzen Papierkram machen? Außerdem wären Sie dann bei jeder Ehefrau in Amerika unten durch«, fügte sie hinzu und schaute demonstrativ auf den Ehering am Finger des einen Cops.
»Und die Waffe war nicht geladen«, sagte der Cop nervös zu seinem Partner.
Sein Kollege knurrte: »Ach, scheiß drauf. Ich brauche den ganzen Mist nicht. Aber die Waffe nehmen wir mit.«
Michelle fuhr Sandy in ihr Zimmer zurück und redete eine Weile mit ihr. Als sie in ihr eigenes Zimmer zurückkehrte, hörte sie ein leises Wimmern. Sie öffnete die Badezimmertür. Cheryl taumelte ihr entgegen.
»Ach du Schande. Tut mir leid, Cheryl. Ich hab dich ganz vergessen.« Michelle führte die zitternde Frau zu ihrem Bett und setzte sich neben sie. Dann entdeckte sie den Strohhalm auf dem Boden, hob ihn auf und reichte ihn ihr. Zu ihrer Überraschung begann Cheryl nicht sofort, daran zu saugen. Stattdessen klammerte sie sich fest an Michelles Schultern. Michelle spürte die spitzen Knochen der Frau. Sie seufzte; dann lächelte sie und drückte Cheryl an sich. »Heute Abend findet eine Sitzung zum Thema Essstörungen statt. Was hältst du davon, wenn wir nach dem Abendessen zusammen hingehen?«
Mit zittriger Stimme flüsterte Cheryl: »Du hast keine Essstörung.«
»Soll das ein Scherz sein? Cheryl, ich hab das Salisbury-Steak gegessen, mit Nachschlag. Und es hat mir sogar geschmeckt. Wenn das keine Essstörung ist, dann weiß ich es nicht.«
35.
A m nächsten Abend packte Sean gerade seine Sachen, als jemand an seine Schlafzimmertür klopfte.
»Herein.«
Champ Pollion schob seinen Kopf durch die Tür.
»Hat Alicia mit Ihnen gesprochen?«, fragte Sean.
»Wegen des Umzugs? Ja. Ich habe keine
Weitere Kostenlose Bücher