Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Aber ich war schuld, dass wir es nicht geschafft haben. Ich bin nicht gerade eine Heldin.«
»Ich wollte nur zu meiner Familie zurück.«
Diane streckte die Hand aus und ergriff Willas Arm. »Du bist sehr mutig, und das musst du auch bleiben.«
Willa blieb ein Schluchzen im Hals stecken. »Ich bin doch erst zwölf, nur ein Kind.«
»Ich weiß, Süße, ich weiß.«
Diane schob ihren Stuhl um den Tisch herum und legte schützend den Arm um Willa.
Das Mädchen begann zu zittern, und Diane drückte es an ihre Brust und flüsterte ihm ins Ohr, dass alles wieder gut werden würde. Ihrer Familie gehe es ganz bestimmt gut, und sie würde sie ganz sicher wiedersehen. Dabei wusste Diane, dass Willa ihre Mutter nie wiedersehen würde, denn der Mann hatte ihr gesagt, dass sie tot war. Trotzdem musste sie das dem verängstigen, kleinen Mädchen sagen.
Meinem kleinen Mädchen.
***
Vor der Tür lehnte Quarry an der Tunnelwand und rieb über die alte Münze in seiner Hand. Es war eine Lady Liberty, die er Gabriel geben wollte. Aber nicht für EBay, sondern fürs College. Doch Quarry dachte nicht an die Münze. Er hörte zu, wie Willa sich die Seele aus dem Leib weinte. Das Jammern des Mädchens hallte durch die Tunnel wie Generationen zuvor das Stöhnen geschundener Bergarbeiter und davor die Schreie gequälter Unionssoldaten.
Doch Quarry konnte sich kein herzzerreißenderes Geräusch vorstellen als das, was er gerade hörte. Er ließ die Münze wieder in seiner Tasche verschwinden.
Er hatte seine Angelegenheiten in Ordnung gebracht. Für die Menschen, die ihm am Herzen lagen, war gesorgt. Was danach kam, lag nicht in seiner Hand.
Die Leute würden ihn natürlich verdammen, aber so war das nun mal. Er hatte schon Schlimmeres ertragen als die schlechte Meinung anderer.
Trotzdem würde er froh sein, wenn das hier vorüber war.
Und es musste bald vorüber sein.
Keiner von ihnen konnte das noch lange ertragen.
Er selbst konnte es jedenfalls nicht, das wusste Sam Quarry.
Später an jenem Abend fuhr er mit dem Truck zu Tippi. Diesmal fuhr er allein. Er las ihr vor und spielte das Band ab, auf dem ihre Mutter zu ihr sprach.
Quarry schaute sich in dem kleinen Raum um, der nun schon seit Jahren Tippis Welt darstellte. Er kannte jedes Gerät hier, das sie am Leben erhielt, und er hatte das Pflegepersonal mit Fragen nach ihrer Funktionsweise förmlich bombardiert. Sie hatten keine Ahnung, warum er so neugierig war, was die Geräte betraf, aber das war egal. Er wusste warum.
Als Quarry seiner Tochter schließlich in das verwelkte Gesicht schaute, auf ihre verkümmerten Gliedmaßen und den ausgemergelten Leib, da spürte er, wie sein eigener Körper in sich zusammenzufallen schien, als hätte die Schwerkraft plötzlich zugenommen. Vielleicht war das ja eine Art Strafe.
Quarry hatte kein Problem mit Strafe, solange sie gerecht verteilt wurde. Nur das war nie der Fall.
Quarry verließ den Raum und ging zum Schwesternzimmer. Er musste ein paar Dinge regeln.
Es war an der Zeit, dass Tippi diesen Ort verließ.
Es war an der Zeit, dass er sein kleines Mädchen nach Hause holte.
49.
W ir haben den Befehl, sie alle hierzubehalten«, sagte der Agent zu Sean und Michelle.
Sie befanden sich am Eingang des Blair House. Die Entscheidung war getroffen worden, um es Tuck und den Kindern zu ermöglichen, unter dem Schutz des Secret Service hierzubleiben - zumindest vorübergehend.
»Ich will doch nur, dass Sie Tuck Dutton Bescheid geben, dass wir hier draußen sind«, sagte Sean. »Wenn er uns sehen will, können Sie kaum etwas dagegen tun, oder? Er ist kein Verbrecher. Er ist nicht einmal in Schutzhaft. Er ist freiwillig hier. Und wenn er gehen will, werden Sie ihn gehen lassen müssen.«
»Wir werden ihn auch im Auge behalten«, fügte Michelle hinzu.
»Schon klar, und mir geht es dann an den Kragen, wenn dem Schwager des Präsidenten etwas passiert.«
»An Ihrer Stelle hätte ich mehr Angst vor der First Lady«, bemerkte Sean.
»Okay. Ich hole Dutton«, sagte der Agent. »Aber jetzt schlage ich Ihnen erst mal vor ...«
»Sean?«
Alle schauten zur Tür. Tuck stand dort, auf dem einen Arm Colleen, in der anderen Hand einen Kaffee.
»Bitte gehen Sie von der Tür weg, Mr. Dutton«, warnte der Agent.
Tuck setzte Colleen ab und sagte ihr, sie solle zu ihrem Bruder gehen. Dann stellte er den Kaffee ab und kam heraus.
»Mr. Dutton!« Der Agent trat auf ihn zu, und zwei weitere Männer gesellten sich rasch zu ihm.
Tuck hob die
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