Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
keuchte Jane. Sie war völlig außer Atem, denn sie war direkt von der Limousine durch die langen Gänge des Weißen Hauses und ins Büro ihres Mannes gerannt.
»Mein Gott, was ist denn? Fehlt dir irgendetwas?«
Jane trat einen Schritt vor. Die beiden Agenten taten es ihr nach und versperrten ihr vorsichtig den Weg. Vielleicht dachten sie ja, die First Lady sei wirklich krank, und nun müssten sie den Führer der freien Welt vor den Bakterien schützen.
»Wir müssen reden. Sofort.«
»Ich bin gleich fertig.« Dan schaute zu dem Mann, der den Golfball inzwischen aufgehoben hatte. Lächelnd sagte Cox: »Wir hatten alle einen langen Tag.« Er nahm den Ball wieder zurück. »Lassen Sie mich den Ball nur schnell für Sie signieren ...« Der normalerweise mit Namen so sichere Präsident hatte einen Aussetzer.
Jay, sein Sekretär, eilte ihm sofort zu Hilfe. »Wie wir besprochen haben, Mr. President, hat Wally Garrett in Cincinnati mehr Geld für Ihre Wiederwahl aufgetrieben als sonst jemand.«
»Nun, Wally, ich weiß wirklich zu schätzen ...«
Was der Präsident wirklich zu schätzen wusste, sollte nie jemand erfahren, denn Jane sprang vor, riss ihrem Mann den Golfball aus der Hand und schleuderte ihn durch den Raum. Er traf ein Porträt von Thomas Jefferson, einen von Dans größten Helden, und der alte Tom musste fortan mit einer Delle leben, wo bis dahin sein linkes Auge gewesen war.
Die Secret-Service-Agenten sprangen vor, doch Dan hob die Hand und hielt sie auf. Er nickte seinem Sekretär zu, und Garrett wurde ohne den begehrten Golfball rasch aus dem Raum geführt. Aber ein Politiker, der eine Position wie Dan Cox erreicht hatte, überließ nichts dem Zufall, und er ließ auch keinen Spender unglücklich von dannen ziehen. Der Mann aus Ohio würde ein signiertes Foto des Präsidenten bekommen sowie VIP-Karten für einen Event in nächster Zeit. Dabei war natürlich klar, dass er das, was er gerade gesehen hatte, nie publik machen würde.
Dan Cox streckte die Hand nach seiner Frau aus. »Jane, was zum Teufel ...«
»Nicht hier. Oben. Ich traue diesem Raum nicht.«
Jane funkelte die Agenten und Mitarbeiter an, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte so schnell aus dem Oval Office, wie sie gekommen war. Kaum hatte sie die dicke Tür hinter sich zugeschlagen, blickten die Beamten und Agenten erst einander und dann den Präsidenten an. Niemand wagte es zu sprechen.
Cox stand ein paar Augenblicke lang einfach nur da. Jeder Politiker, der es so weit gebracht hatte wie er, hatte eigentlich schon alles gesehen, aber das hier war selbst für Dan Cox neu.
»Ich sollte lieber mal nachsehen, was sie will«, sagte er schließlich und ging hinaus.
Larry Foster, sein Sicherheitschef, den man sofort angerufen hatte, eilte herbei und sagte: »Mr. President, möchten Sie, dass wir Sie begleiten?« Die Anspannung war dem alten Veteranen deutlich anzusehen. Selbst er wusste nicht recht, wie er es formulieren sollte. »Äh ... überall hin?«
Normalerweise war die Privatwohnung des Präsidentenpaares für den Secret Service tabu, es sei denn, sie wurden ausdrücklich dazu aufgefordert, einzutreten.
Cox dachte kurz darüber nach, sagte dann aber: »Das ... äh ... wird nicht nötig sein, Larry.« Doch als er weiterging, fügte er über die Schulter hinzu: »Aber bleiben Sie in der Nähe für den Fall, dass Jane etwas braucht.«
»Selbstverständlich, Mr. President. Wir können binnen Sekunden da sein.«
Cox ging nach oben, um seine Frau zur Rede zu stellen. Das Team des Secret Service folgte ihm, blieb ein paar Meter vor der Tür jedoch stehen und lauschte auf Hinweise, dass der Präsident in Gefahr sein könnte. Ohne Zweifel dachten alle das Gleiche. Es war ihre Pflicht, den Präsidenten der USA vor jeder Gefahr zu beschützen, und sie waren bereit, notfalls sogar ihr Leben zu opfern. Diese Männer waren auf alles gefasst.
Nur nicht auf das, was womöglich gerade nur ein paar Meter von ihnen entfernt vorging. Was, wenn die Gefahr für den Präsidenten von seiner Ehefrau ausging?
Dürften sie in so einem Fall auch tödliche Gewalt anwenden? Durften sie die First Lady töten, um den Präsidenten zu retten? Darüber stand zwar nichts im Handbuch, aber alle dachten das Gleiche:
Vermutlich ja.
Der Legende zufolge war so etwas Ähnliches schon einmal geschehen. Als Warren G. Harding Präsident gewesen war, hatte Mrs. Harding von der Affäre ihres Mannes erfahren. Der Präsident und seine Geliebte hatten Zuflucht in einem
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