Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
friedlich.
Quarry zog einen Silberdollar aus der Tasche und legte ihn auf den Nachttisch des Jungen. Leise sagte er: »Geh aufs College, Gabriel. Lebe dein Leben und vergiss, dass du mich je gekannt hast. Und wenn du doch mal an mich denkst, dann hoffe ich, wirst du dich auch daran erinnern, dass ich nicht nur böse war. Das Leben hat mir Karten gegeben, mit denen ich nichts anfangen konnte. Aber ich habe getan, was in meiner Macht stand.«
Quarry ging in seine Bibliothek. Das Kaminfeuer war erloschen, mit einem Eimer Wasser gelöscht. Quarry spannte den Arm mit dem Brandzeichen. Dann schaltete er das Licht ein, schaute sich kurz die Bücher an, knipste das Licht wieder aus und schloss ein letztes Mal die Tür.
Eine halbe Stunde später parkte er seinen Truck neben der Cessna. Zwanzig Minuten später hob die Maschine ab. Während er über das Land flog, schaute er zu dem kleinen Haus hinunter. Er winkte nicht, nickte nicht, zeigte nicht, dass er da war. Jetzt musste er sich konzentrieren. Was vergangen war, war vergangen. Er durfte jetzt nur noch nach vorne schauen.
Daryl hatte die Landebahn für ihn mit Fackeln beleuchtet. Quarry setzte hart auf, ließ die Maschine ausrollen, wendete, stieg aus und schob Keile unter das Fahrwerk.
Wenn alles nach Plan lief, würden er und Daryl bald wieder von hier starten und in Texas landen. Alles in allem sollte es nicht mehr als ein paar Stunden dauern. Von dort hatten sie sich schon einen Weg über die Grenze und nach Mexiko gesucht. Die Grenze in südlicher Richtung zu überqueren, war allerdings auch wesentlich einfacher als umgekehrt. Waren sie erst einmal dort, würde Quarry dem FBI mit einem gestohlenen Handy die Koordinaten der Mine durchgeben, damit Willa und Diane gerettet werden konnten. Bis dahin würde den beiden nichts passieren; Essen und Wasser waren genug vorhanden.
Es war ein guter Plan - wenn er funktionierte.
Quarry schnappte sich seinen Rucksack und ging zum Mineneingang.
In ein paar Stunden würde er es wissen.
75.
A ls Sean und Michelle auf den Feldweg einbogen, der nach Atlee führte, kündigte ein glühend roter Himmel im Osten den Sonnenaufgang an.
»Wie unheimlich«, bemerkte Michelle, als sie die einsame, gewundene Straße hinauffuhren. »Hast du Waters eine Nachricht hinterlassen?«
»Ja, aber ich habe keine Ahnung, wann er uns zurückruft. Außerdem jagen wir vielleicht nur einem Phantom hinterher.«
»Mein Bauch sagt mir etwas anderes.«
»Meiner auch«, gab Sean zu.
»Wie möchtest du es angehen?«
»Erst mal sollten wir uns umsehen und dann für ein Wunder beten, dass wir Willa finden.«
Michelle deutete nach vorne. »Das da könnte das Atlee sein.« Das Haus erschien hinter einer langen Kurve. Große Pinien wuchsen zu beiden Seiten der Auffahrt zu dem alten Herrenhaus.
»Ich sehe keine Autos vor der Tür«, sagte Michelle und zog ihre Waffe.
»An einem Ort wie diesem kann man Autos vermutlich Gott weiß wo abstellen«, erwiderte Sean.
Das Klingeln des Telefons erschreckte sie beide.
Es war Aaron Betack. Sean hörte ihm ein paar Minuten zu, legte dann auf und schaute zu seiner Partnerin.
»Im Weißen Haus ist der Teufel los«, berichtete er. »Offenbar ist Jane von einem Restaurantbesuch nach Hause gekommen und ins Oval Office gestürmt. Sie und der Präsident sind dann raufgegangen und hatten eine Diskussion. Jetzt fliegt das Paar in einer Maschine ohne Kennzeichen an einen unbekannten Ort.«
»Was ist denn da los?«
»Offensichtlich hat jemand Kontakt zu Jane aufgenommen, als sie in dem Restaurant gewesen ist.«
»Aber warum ein Flugzeug ohne Kennzeichen?«
»Vermutlich soll niemand von diesem Trip erfahren, zumindest nicht die Öffentlichkeit.«
»Der Service steht bestimmt vor dem Durchdrehen, weil sie kein Vorauskommando haben schicken können.«
»Genau. Sie tun, was sie können, aber wenn du nicht weißt, wohin es geht, ist es so eine Sache.«
»Du hast Aaron nicht gesagt, was wir herausgefunden haben.«
»Er hat auch so schon alle Hände voll zu tun. Sollten wir aber etwas finden, was mit dem Präsidenten in Verbindung steht, geben wir ihm sofort Bescheid.«
»Licht und Motor aus!«, zischte Michelle plötzlich.
Der SUV verstummte und versank in Dunkelheit. »Was ist?«
»Da ist gerade jemand aus dem Haus gekommen.« Michelle deutete nach vorne. »Lass uns den Rest zu Fuß gehen.«
Sie stiegen aus und schlichen zu dem dunklen Haus.
Michelle hob die Hand. Offensichtlich hatte sie etwas gesehen, das Sean
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